Flüsterwitze - Widerstand im Dritten Reich?

Kompetenzorientierte Aufgabenstellung für die mündliche Reifeprüfung zum Thema alltäglichen Widerstand im Dritten Reich.

  • Im Dritten Reich herrschte eine strenge Kontrolle der Meinungsäußerung und eine Regime-kritische Äußerung konnte schwerwiegende Folgen für den Einzelnen und die Einzelne haben.

    Das Erzählen eines Witzes, dessen Inhalt den Mangel bzw. die Schattenseiten des Alltags abbildete oder Reich und Führer kritisierte, konnte unter Umständen sogar den Tatbestand der „Zersetzung der Wehrkraft“ erfüllen.

Aufgabenstellungen

  1. Beschreiben Sie die gesetzliche Situation und die Gefahren des Witzerzählens bzw. des schlecht Redens über das Reich und den Führer im Dritten Reich bzw. in der Ostmark (Material 1)!

  2. Erklären Sie den Einfluss des Zweiten Krieges auf das Leben der Daheimgebliebenen anhand der unten angeführten Flüsterwitze (Material 2 und 3)!

  3. Bewerten Sie inwiefern das Erzählen solcher Flüsterwitze als Widerstand gegen das Dritte Reich zu werten ist oder eben nicht!

Materialien

Material 1

„[Bei diesen] Flüsterwitzen aus Österreich während des Dritten Reiches […] werden sicherlich manche Formulierungen und manche Pointe heute Unbehagen, mindestens aber Kopfschütteln auslösen. In diesen Fällen sollte man bedenken, dass diese Witze unter der Angstglocke des nationalsozialistischen Regimes entstanden sind und weitererzählt wurden, dass also manche Derbheit, ja Rohheit nur Reaktion auf die Rohheit des Regimes war. Und vieles war Galgenhumor, später sogar im doppelten Sinn des Wortes. Bereits im so genannten Heimtückegesetz des Deutschen Reiches, im „Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei zum Schutz der Parteiuniformen“ vom 20. Dezember 1934, hieß es im Paragraf 2, Absatz 1: „Wer öffentlich, hetzerische oder von niedriger Gesinnung zeugende Äußerungen über leitende Persönlichkeiten des Staates oder der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, über ihre Anordnungen oder die von ihnen geschaffenen Einrichtungen macht, die geeignet sind, das Vertrauen des Volkes zur politischen Führung zu untergraben, wird mit Gefängnis bestraft. [Dieses Gesetz galt in Österreich nicht.] Mit dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 änderte sich die Lage österreichischer Witzerzählerinnen und Witzerzähler grundsätzlich. Jetzt galt auch in der so genannten Ostmark das „Heimtückegesetz“, und wer Pech hatte, wurde wegen „Zersetzung der Wehrkraft“ angeklagt, wodurch auf Flüsterwitze sogar die Todesstrafe stand. […]Dennoch sollten diese Witze nicht überzogen als ein Instrument des Widerstandes interpretiert werden: Eine ganze Reihe dieser Flüsterwitze stammen sogar von Nationalsozialisten selber […]. Allerdings kann man diese Witze […] als „ein Dokument der Verachtung und Ablehnung“ sehen. Jedoch sind sie in jedem Fall eine bemerkenswerte Quelle der österreichischen Geschichte.“

Aus: Reinhard Müller, Vorbemerkung. In: „Auf Lachen steht der Tod!“ Österreichische Flüsterwitze im Dritten Reich, hg. von demselben (Innsbruck 2009) S. 7-13.


Material 2

„Amtliche Bekanntmachung
Das Weihnachtsfest fällt während des Krieges aus folgenden Gründen aus:

  1. Josef ist bei der Wehrmacht.
  2. Maria ist im Arbeitseinsatz.
  3. Das Christkind ist wegen Fliegergefahr evakuiert.
  4. Der Heilige Geist ist unablässig, aber erfolglos bemüht, die deutsche Führung zu erleuchten.
  5. Die Weisen aus dem Morgenland haben keine Einreiseerlaubnis.
  6. Die Hirten sind in der Rüstungsindustrie dienstverpflichtet.
  7. Der Stern von Bethlehem darf wegen der Verdunklung nicht leuchten.
  8. Heu und Stroh sind von der Wehrmacht beschlagnahmt.
  9. Die Krippe befindet sich bei der NSV.
  10. Im Stall liegt die Flak.
  11. Die Schafe sind in eiserne Rationen aufgeteilt worden.
  12. Und für den Esel allein lohnt es sich nicht, Weihnachten zu feiern!

Flak: Abkürzung für Flugabwehrkanone, wurde im alltäglichen Sprachgebrauch meist synonym für „Flugabwehr“ überhaupt verwendet. Eiserne Ration: Notreserve an Nahrungsmitteln bei Soldaten.“

Aus: Reinhard Müller (Hg.), „Auf Lachen steht der Tod!“ Österreichische Flüsterwitze im Dritten Reich. (Innsbruck 2009) S. 193 bzw. 47.


Material 3

„Neues Kochrezept
Man nehme die Fleischkarte, wälze sie in der Eierkarte und brate sie mit der Butterkarte schön braun. Die Kartoffel- und Gemüsekarte dämpfe man in Salzwasser recht weich und verdicke mit der Mehlkarte.
Als Nachtisch brühe man mit die Kaffeekarte auf, gebe die Milch- und Zuckerkarte dazu und serviere mit der Brotkarte.
Nach dem Essen wasche man die Hände und Geschirr mit der Seifenkarte und trockne alles gut mit einem Bezugschein ab.

Seife wurde –wie viele andere Kosmetika auch – im Krieg aus Ersatzstoffen hergestellt. So mahnte die nationalsozialistische Presse am 22. Oktober 1943 zum Auftakt einer großen Propagandaaktion: „Weg mit alten Knochen? Nein! Denn aus ihrem Fett gewinnen wir Stearin, Ölein, Seife und Glyzerin, die Grundstoffe für viele chemische und kosmetische Präparate!“ In einer bereits am 1. Dezember 1942 einsetzenden Propagandaaktion wurden die deutschen Hausfrauen unter dem Motto „Seife sparen – Wäsche schonen!“ aufgefordert, ihre Wäsche nur noch alle fünf Wochen zu waschen.“

Aus: Reinhard Müller (Hg.), „Auf Lachen steht der Tod!“ Österreichische Flüsterwitze im Dritten Reich. (Innsbruck 2009) S. 193-194.

Fußzeiel Bundesministerium für Bildung Gegestandsportale Education Group

Schnellübersicht

Fächer:

Geschichte

Erstellt von:

Matthias Stark

Zeitdauer:

machbar in 1UE, intensivere Auseinandersetzung auch möglich

 

Schulstufe(n)

  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
  • 6
  • 7
  • 8
  • 9
  • 10
  • 11
  • 12
  • 13

Kompetenzen

Baukasten 1: Aspekt- und Konzeptorientiert

  • 11) Handlungsspielräume von Individuen

 

Baukasten 2: Methoden- und Gattungsorientiert

  • 5) Analyse und Interpretation mündlicher Quellen (Oral History, Interviews, Reden, Lieder,...)