Einführung Onlineberatung und -therapie

Hier liegt ein durch und durch gelungenes Werk vor, informativ, verständlich und mit 15 Abbildungen und25 Tabellen sowie hilfreichen Pictogrammen zur effektiven Nutzung des Lehrbuches auch didaktisch-methodisch hervorragend.

AutorInnen: Eichenberg C und Kühne S
Verlag: UTB PsychoMed compact –Band 7. München: E.Reinhardt.
Erschienen: 2014

Zum Inhalt

 

Hier liegt ein durch und durch gelungenes Werk vor, informativ, verständlich und mit 15 Abbildungen und25 Tabellen sowie hilfreichen Pictogrammen zur effektiven Nutzung des Lehrbuches auch didaktisch-methodisch hervorragend. Wegen des Detailreichtums und der Informationsdichte kann nureine überblickshafte und selektive Inhaltswiedergabe erfolgen.

Das Buch weist vier große Kapitel auf: Die Einführung und Systematisierung des Themenfeldes untersucht die Bedeutung digitaler Medien für Beratung und Therapie, das Kapitel Klinisch-psychologische Online-Interventionen stellt die Information, Beratung und Therapie in Theorie und Praxis vor, Kapitel drei geht auf klinisch-relevante Auswirkungen der Internetnutzung ein, insbesondere auf exzessive, dysfunktionale, selbstschädigende und deviante Nutzungsweisen digitaler Medien ein und das abschließende Kapitel vier entwirft einen Ausblick in die Zukunft von Beratung und Therapie im digitalen Zeitalter.

Ein kleiner Streifzug durch das Buch soll Neugier und Leselust wecken, da und dort auch die Möglichkeit von Anmerkungen nützen.

Die Kontroversen im vorliegenden Bereich faszinieren durch die Negation der Gegenmeinungen, z.B. Befürworter loben die sozialintegrative Wirkung des Internets, das Empowerment etc.; Gegner warnen vor den Folgen der Vereinsamung, Anhängigkeit und Labilisierung.

Es gibt vier E-Mental-Health ( alle Ansätze, die sich mit digitalen Medien und psychischer Gesundheit befassen) –Angebote: Internetbasierte Interventionsprogramme, internetgestützte therapeutische Software, Onlineberatung/therapie und Selbsthilfe.(Seite 23ff)

Auf Seite 26 wird die Möglichkeit angesprochen, neue Beziehungsformen auszuprobieren, z.B. „während einer laufenden Psychotherapie noch eine Onlineberatung bei einer dritten Person in Anspruch zu nehmen.“ Das ist nun wirklich keine gute Idee, zumindest müsste im Buch eine Problematisierung dieser leichtfüßigen Empfehlung für eine riskante Settingvariation erfolgen.

Interessant sind die drei Stufen der Institutionalisierung: Habitualisierung (erste Schritte), Objectification (Annäherung durch systematische Beobachtung und Reflexion), Sedimentation( Erreichen einer Bodenständigkeit).

Auf Seite 40f werden die rechtlichen Rahmenbedingungen erörtert. Verboten ist die ausschließliche Fernbehandlung.

Das Qualitätsmanagement in der Onlineberatung kann nach folgenden drei Parametern beurteilt werden: Strukturqualität (es geht um die inhaltlich-fachlichen Voraussetzungen –Konzeptqualität, sowie um formale und strukturelle Rahmenbedingungen wie z.B. Budgetierung), Prozessqualität (alles, was zum Ablauf der Online-Beratung dazugehört) und Ergebnisqualität (die Wirksamkeit der Betreuungsmaßnahmen, das Wohlbefinden des Klienten etc.)

Originell sind die auf Seite 86f dargestellten vier Zugänge des Lesens: psychoanalytisch lesen (die latent vorhandenen Bedeutungsinhalte mitbedenken), phänomenologisch lesen (an der „Oberfläche“ des Textes bleiben. Hier muss der Rezensent anmerken, dass diese Formulierung dem phänomenologischen Ansatz nicht gerecht wird. Es geht nicht um das Verbleiben an der Oberfläche, sondern um das unmittelbare Erfassen des Wesentlichen), dialogisch lesen (den Text wie einen intrapsychischen und interpsychischen Dialog betrachten), technisch lesen (formale Kriterien, den Regeln der Literaturkritik entsprechend).

Ein ebenfalls origineller Zugang ist die systematische Metaphernanalyse ( Seite 97f): die zu einem bestimmten Beratungsthema eingebrachten Metaphern des Ratsuchenden werden zu metaphorischen Konzepten gebündelt, es können Handlungsmuster des Klienten  erkannt und ev. abgeändert werden.

Die auf Seite 109 beschriebenen acht Thesen zur Wirksamkeit des Schreibens sind lesens- und berücksichtigenswert. Ebenso die auf Seite 110 aufgelisteten Erfolgsfaktoren in der Onlineberatung wie z.B. psychologische Anonymität, Wahrung des Selbstgefühls. Die ebenfalls angeführte Projektion eines idealtypischen inneren Beraters würde der Rezensent gern problematisieren: Es kann auch eine negativ gefärbte Projektion erfolgen. Daher muss man sich überlegen, wie man dieser Entwicklung vorbeugen kann.

Während die Vor- und Nachteile einer Online-Therapie sehr sorgfältig dargestellt werden, erfolgt die Unterscheidung zwischen Beratung und Therapie nur in einem komparativen Satz: „Im Unterschied zur Onlineberatung verfolgt die Onlinetherapie explizit das Ziel, auf der Basis eines längeren Kontakts klinisch relevante Störungen zu beheben und damit eine tiefgreifendere Persönlichkeitsveränderung zu erreichen.“ (Seite114). Hier sollten in einer weiteren Auflage präzisere Angaben erfolgen, die die wichtige Unterscheidung (auch hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen) griffiger machen.

Im Zusammenhang mit der negativen Nutzung des Internets wird auch der Begriff der „Verhaltenssucht“ eingeführt(die Handlungen werden zum Objekt der Pathologie, nicht das Mittel bzw. Medium) (Seite 147).

Ein ebenfalls neuer Begriff ist die Cyberchondrie (die unbegründete Angst oder erhöhte Aufmerksamkeit auf ernste Krankheiten, die auf der Zurkenntnisnahme von Webinhalten basiert) (Seite 163). Auch der Begriff „Sexting“ ist eine Neuschöpfung: der Austausch sexueller Nachrichten oder Bilder und das Kreieren, Teilen und Weiterleiten von Bildern mit sexuellem Inhalt oder von Bildern, die Nacktheit abbilden, über das Handy oder Internet. (Seite184).

Das Buch schließt mit zehn Regeln für eine ethische Grundhaltung: Sage mir, wer du bist! Behandle mich als ein Individuum, sichere meine Daten, antworte mir, beantworte meine Fragen, kenne deine Rolle, sage mir deine Grenzen, nimm dir Zeit für mich, kenne deine Technik, behandle mich mit Respekt. (Seite 205ff).

Diese zehn Regeln lassen sich in drei Metaregeln zusammen fassen, meint der Rezensent: 1) Sage mir, wer du bist¸kenne deine Rolle, Grenzen, Technik  2) Behandle mich als Individuum,  mit Respekt  3) nimm dir Zeit für mich, sichere meine Daten, antworte mir und beantworte meine Fragen. Mit anderen Worten: 1) als Gegenüber erkennbar sein (sein Profil kennen und zeigen) 2) beziehungsmäßig gut umgehen mit dem Ratsuchenden 3) methodisch gut umgehen mit dem Ratsuchenden. Oder noch prägnanter: sich sorgen um Selbstkompetenz, Beziehungskompetenz, Methodenkompetenz.  

Die Lektüre dieses Buches ist ein echter Gewinn! Man erfährt sehr viel über einen Aspekt der Wirklichkeit, der immer bedeutsamer werden wird!

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
20.08.2014
Link
https://pup.schule.at/portale/psychologie-und-philosophie/news/detail/einfuehrung-onlineberatung-und-therapie.html
Kostenpflichtig
nein