Besuch aus der Vergangenheit

Das neueste Buch von Renate Welsh setzt sich mit Vergangenheitsbewältigung auseinander. Eines Tages kommt Lena nach Hause und findet vor der Wohnung eine fremde Frau: Es ist dies Emma Greenburg, die einst in dieser Wohnung gelebt hat, bevor sie vor den Nazis flüchten musste. Die heimkommende Mut ...

Das neueste Buch von Renate Welsh setzt sich mit Vergangenheitsbewältigung auseinander. Eines Tages kommt Lena nach Hause und findet vor der Wohnung eine fremde Frau: Es ist dies Emma Greenburg, die einst in dieser Wohnung gelebt hat, bevor sie vor den Nazis flüchten musste. Die heimkommende Mutter bietet noch Tee an, die zu Besuch kommende Großmutter reagiert barsch und meint, einmal müsse Schluss sein. Schluss womit - das versucht Lena im Folgenden herauszufinden. Als sie Frau Greenburg, die für ein paar Tage aus Kanada zu Besuch weilt (ihrem ersten seit damals!), zufällig im Museum trifft, freunden sich die beiden ein wenig miteinander an. Allmählich beginnt Lena nicht nur Frau Greenburg besser zu verstehen, sie merkt auch, dass Mutter und Großmutter nicht unberührt vom Besuch aus der Vergangenheit bleiben können; sie merkt obendrein, dass die Frage "Wie lange sind wir mitschuldig?" nicht so einfach zu beantworten ist. Lena beginnt, ihre Umgebung wacher zu beobachten, sie wird sensibler für kleine Ungerechtigkeiten, sie erlebt ein Stück persönlicher Politisierung, wenn man so will.

Ihre Stimme ist aber nicht die einzige im Buch: Auch Mutter (stets beschäftigte Alleinerzieherin) und Großmutter (meist eher verbittert) werden gehört und können ein bisschen aus ihren Lebensgeschichten beisteuern.

Welsh hat um die Schuldfrage herum zahlreiche aktuelle Ereignisse verpackt (für die neue Regierung ist es sich nicht ganz ausgegangen) und eine lesbare, weitgehend glaubhafte, auf jeden Fall Bewusstsein weckende Geschichte um das Thema Vergangenheitsbewältigung geschrieben. Wie so oft bei derlei Büchern ist die Grenze zum Kitsch schwer zu ziehen: Wenn es "nichts Schöneres als tanzende Falten" gibt (es ist von verrunzelten Gesichtern die Rede) oder wenn gerade die jüdische Familie am fröhlichsten lacht, dann ist das überflüssiges Gutschreiben; die Geschichte wirkt auch so und muss nicht heftlromanmäßig unterstützt werden. Das Bild der Lena, ihr oft einsilbiges, mürrisches, unsicheres Verhalten ist Welsh so gut gelungen, dass sie die anderen Ölfarbenpatzer nicht braucht. Ein Buch, das eine gute Diskussionsgrundlage für Deutsch- und Geschichtestunden sein kann!

 

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/julit-deutsch/detail/besuch-aus-der-vergangenheit.html
Kostenpflichtig
nein