Ãœber Raben

Meine vierte Klasse ist cool und witzig, bisweilen traurig, öfters überdreht, offen und verschwörerisch – und was auch immer eben eine vierte Klasse ausmacht. Aber gegen die Dreizehnjährigen in Hochgatterers neuem Roman nehmen sie sich wie Waisenkinder aus – sie s ...

Meine vierte Klasse ist cool und witzig, bisweilen traurig, öfters überdreht, offen und verschwörerisch – und was auch immer eben eine vierte Klasse ausmacht. Aber gegen die Dreizehnjährigen in Hochgatterers neuem Roman nehmen sie sich wie Waisenkinder aus – sie sprechen und beobachten nicht so wie Pseudosiebzehnjährige, sie tun auch nicht so lässig, wie der Erzähler glaubt, tun zu müssen. Hochgatterers Protagonistinnen sind offensichtlich unentwegt mit Units beschäftigt, die einem Englischbuch für die 2. Klasse entstammen – und an dieser Kleinigkeit zeigt sich auch das Problem von Hochgatterers Erzählen: die Unangemessenheit. Da benehmen sich Kinder (sind sie jetzt in der 2. oder schon fast 14?) so, als würden Erwachsene als Erwachsene ihre Schulzeit wiederholen dürfen, da benehmen sich im Gegenzug Lehrer/-innen entweder hilflos oder sadistisch oder schlichtweg dumm.
Die Erzählungperspektive wechselt zwischen der des bergsteigenden Deutschlehrers Schneider, der sich, von seiner Frau verlassen, offenbar in eine auswegslose Situation hineinmanövriert, und zwischen der der namenlosen Ich-Erzählerin, die uns eine Schul(Woche) unmittelbar vor den Semesterferien präsentiert – mit all den kleinen Aufregungen des Alltags, aber auch der unglaublichen Fadesse, die in ihrer Schule herrscht. Aber sie interessiert sich für Englisch-Vokabeln (kauft den großen Pons mit der entwendeten Bankomatkarte), für Satzanalysen – und (ganz typisch für Dreizehnjährige im Hochgatterer-Universum) für die Krimiautorin Karin Fossum. Kein Wunder also, dass der Bergfex immer wieder an sie denken muss. Oder doch ein Wunder? denn so manches bleibt im Dunkeln, auch weil es im Einerlei der Erzählung untergeht. Natürlich können wir jetzt Lehrer-Raben und Mädchen-Kater mit bleischwerer Bedeutung versehen, aber selbst wenn wir das tun, bleibt eigentlich ein Weder-Fisch-noch-Fleisch-Roman übrig, der obendrein gegen den Vorwurf des Läppischen kämpfen muss. Ich weiß nicht, ob sich Hochgatterer überhaupt als Jugendbuchautor verstehen will, aber seine vorgebliche Coolness (das gilt auch für seine anderen Bücher) kommt wohl eher bei Deutschlehrerinnen und Deutschlehrern mit Authentizitäts-Problem an als bei Jugendlichen.

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/julit-deutsch/detail/ueber-raben.html
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