Pradasüchtig

Als Kind beeindruckte mich ein zufällig gehörter Reim so sehr, dass ich ihn mir bis heute gemerkt habe: "Saufen, fressen, vögeln, speibm/Karten spieln und Kegel scheibm/Des ist lustig, des ist gsund/Es lebe hoch der Bauernbund." Was hat das mit "Pradasüchtig&qu ...

Als Kind beeindruckte mich ein zufällig gehörter Reim so sehr, dass ich ihn mir bis heute gemerkt habe: "Saufen, fressen, vögeln, speibm/Karten spieln und Kegel scheibm/Des ist lustig, des ist gsund/Es lebe hoch der Bauernbund." Was hat das mit "Pradasüchtig" zu tun? Ein bisschen nur, dennoch fiel mir der Vers bei der Lektüre ein; statt fressen wird man wohl koksen nehmen müssen, statt Karten spielen u. dgl. mit dem Auto herumrasen, und den Bauernbund ersetzen wir durch die reichen und schönen Jugendlichen des 16. Pariser Arrondissement.

Die achtzehnjährige Hell ("Hell" ist auch der Originaltitel) berichtet uns aus dieser Welt, der sie angehört; Hell im O-Ton: "Ich bin süchtig nach dem Exzeß, süchtig nach House, süchtig nach Flitter." Die Mädels sind alle Schlampen, die Jungs koksen sich blöd, die Welt ist eine einzige Party, so als ob Ravenhills Theaterstück ("Shopping & Fucking") das Brainscript für den Roman wäre. Das liest sich am Anfang durchaus interessant, weil mit dem entsprechenden Zynismus und durchaus kaltschnäuzig geschrieben. Aber dann, als Hell plötzlich den viel begehrten Andrea angelt, als sie sich verliebt und entliebt, weil man in ihrer Welt nicht länger als ein halbes Jahr verliebt sein kann, dann wird die Geschichte zum eher peinlichen Heuler, so, als ob Hollywood ein Wackle-moralisierend-mit-dem-Zeigefinger-Script in Auftrag gegeben hätte. Ich weiß, es gibt genug Leser/-innen (vor allem Leserinnen), die in "Pradasüchtig" ein Kultbuch sehen, aber mir schien am Schluss, jetzt fehlte nur noch, dass Hell bei "Vera" auftaucht, damit diese betroffen schauen kann. Warum also bespreche ich das Buch? Weil es dennoch ganz interessant sein kann, mit Jugendlichen darüber zu streiten. Weil man damit vielleicht ein unterhaltsames "Literarisches Quartett" inszenieren könnte. Weil man den Unterschied zwischen diesem und dem Ziegesar-Schrott analysieren könnte. Und was der Gründe mehr sind…Und wen's interessiert, der kann sich wundern (oder auch nicht), warum Frédéric Beigbeder sich als Entdecker der Autorin feiern lässt.

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/julit-deutsch/gesellschaft/detail/pradasuechtig.html
Kostenpflichtig
nein