Samstags, wenn Krieg ist

Manchmal fürchte ich schon den "pädagogischen Effekt". Wenn wir unsere Schüler/-innen mit Literatur gegen Gewalt und Rechtsextremismus versorgen, ödet sie das Thema entweder an, oder sie finden gerade die Szenen besonders aufregend, die sie abschrecken sollen. Schon Vonnegut hat erklärt, dass ...

Manchmal fürchte ich schon den "pädagogischen Effekt". Wenn wir unsere Schüler/-innen mit Literatur gegen Gewalt und Rechtsextremismus versorgen, ödet sie das Thema entweder an, oder sie finden gerade die Szenen besonders aufregend, die sie abschrecken sollen. Schon Vonnegut hat erklärt, dass es keine Antikriegsbücher gäbe - warum soll also nicht auch die Gewalt in Büchern faszinierender sein als die Moral? (Bei Milton war ja auch der Teufel die aufregende Figur.) Sie sehen, das vorliegende Buch bringt mich zum allgemeinen Sinnieren. Das bedeutet, es ist kein Buch, das man seinen Schülem/-innen nur so hinlegen sollte - ein Gespräch darüber empfiehlt sich auf jeden Fall.

Klaus-Peter Wolf hat einen packenden, aber gleichzeitig durchaus plakativen Roman geschrieben. Was da in dem doitschen (sie) Nest Ichtenhagen vor sich geht, ist komprimiert aus allen unerfreulichen und widerlichen Vorfällen, in die Neonazis verwickelt sein können. Wolf und seine Bande der Ultras terrorisieren die Stadt, verwüsten den jüdischen Friedhof, gehen gegen die "Itakerschweine" (bei denen sie Pizza essen) und das "Türkengesindel" vor. Der "urdoitsche" beschränkte Säufer in seinem Rassenwahn feiert fröhliche Urständ. Gewalt ist seine Sprache, Mord und Verwüstung begleiten sein Handeln. Das Buch nennt sich Sozio-Thriller, und ist nicht nur Kriminalfall, sondern (hoffentlich) überzeichnetes Psychogramm einer Gruppe orientierungsloser Jugendlicher, deren jämmerlicher Alltag sich in Gewalt gegen fast alle entlädt. Ein durch und durch unerfreuliches Buch also, in dem zu viel zu nahtlos zusammenpasst: Der in seiner Liebe zu Renate enttäuschte Wolf, die vom Wohlstand ausgeschlossenen Jugendlichen, der behinderte Bruder, die Neapolitaner, die sich an 'doitschen Frauen vergreifen', die Lust an der Randale, das Ausufern der Gewalt - all das mischt Klaus-Peter Wolf schaurig-gefällig zu einem Reißer. Fast ließe sich der Roman unter die Angstmacher-Schreibe (Täglich Krone) einreihen, wenn uns nicht doch immer wieder Nachrichten erreichten, die Teile des Buches bestätigen. Fast ließe er sich ignorieren, wenn nicht Jugendliche das Buch spannend und aufregend fänden.

Auch ich habe es 'verschlungen' und finde es widerlich und lesenswert zugleich.

Sollten Sie das Buch lesen, überlegen Sie sich gut, an wen Sie es weitergeben. Schreiben Sie vielleicht ein paar Zeilen darüber ans "GermanistInnenforum": Sind derlei Bücher wichtige Lektüre oder verherrlichen sie nur unter dem Deckmantel der Empörung die Gewalt und das einfache, dumpfe Leben? Oder müssen Bücher über Gewalt und Rechtsextremismus plakativ sein?
(GF5/5-1994)

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/julit-deutsch/konflikte/detail/samstags-wenn-krieg-ist.html
Kostenpflichtig
nein