Cengiz & Locke

Yo, cool Mann!Wer nun meint, Drvenkar versuche sich in Jugendsprache und Anbiederung, der kennt ihn schlecht. Denn Drvenkar hat tatsächlich ein Gespür für das, was in Banden so läuft, und er hat auch ein Gespür für die entsprechende Sprache, ohne dabei lächerli ...

Yo, cool Mann!
Wer nun meint, Drvenkar versuche sich in Jugendsprache und Anbiederung, der kennt ihn schlecht. Denn Drvenkar hat tatsächlich ein Gespür für das, was in Banden so läuft, und er hat auch ein Gespür für die entsprechende Sprache, ohne dabei lächerlich zu wirken. (Ein Mitglied einer echten 'Yugobande' mag das natürlich anders sehen.)
Cengiz' Vater ist Mongole (drum will er auch nicht immer 'beschissener Türke' genannt werden), und er ist bei Marcos Bande; sein bester Freund Locke, der eigentlich brav-bieder Matthias heißt, gehört ebenso dazu, wenn er auch in der Hierarchie ziemlich weit unten ist. Um zu zeigen, wie cool sie sind, machen Cengiz und Locke mit, als Marco beschließt es den Yugobanden zu zeigen. Cengiz darf dabei mit einer Uzi in die Gruppe feuern, die vor einer Disco steht. Glücklicherweise kommt niemand dabei um, aber ein Mädchen hat Cengiz erkannt – und nun beginnt die Suche nach "dem Chinesen." Kurz danach geht ein Bruch schief, bei dem Cengiz & Locke mitmachen, bald darauf finden die Yugos Cengiz und prügeln ihn halbtot. Von seinem Vater aus der Familie ausgeschlossen, von der eigenen und den anderen Gangs gesucht, bleibt Cengiz nur sein Freund Locke, der selbst jede Menge familiärer Probleme hat. Als das Mädchen tot aufgefunden wird, liegt der Verdacht nahe, dass Cengiz sie aus Rache umgebracht hat; aber bald stellt sich heraus, dass auch Marco mit dem Tod etwas zu tun gehabt haben muss. Beim großen Showdown hat Drvenkar dann noch eine Überraschung für uns parat …
Auf mich wirkt das Buch nicht nur absolut überzeugend, meines Erachtens hat Drvenkar auch geschickt all die Gang-Mythen, die wir seit der "Westside Story" oder seit S. E. Hinton kennen, aufgegriffen; dazu kommt noch der neue Referenzrahmen des Films – cool wie Pacino, nervös wie Joe Pesci, aber immer in einem geilen Film, in dem die Helden ihrem "oedipal trajectory" folgen. Bronson und Belmondo und Delon winken ungenannt als Zugabe, wenn's um Freundschaft und Loyalität geht. Eine Straßengang-Realität und eine die Selbststilisierung erlaubende Filmrealität ergeben eine fruchtbare Mischung. Drvenkar lässt mehrere Figuren die Geschichte erzählen, vor allem Cengiz und Locke, aber immer wieder greift die Multiperspektivität ein- und dieselbe Szene auf und gibt ihr eine neue Wendung durch eine fremde Wahrnehmung. Das Buch ist temporeich in einer sehr konsequenten, z. T. menschenverachtenden Sprache erzählt, gewinnt aber dadurch an Dichte und Qualität. Lesenswert – und sicherlich auch als Klassenlektüre in einer nicht zart besaiteten Mittelstufe zu erwägen.

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/julit-deutsch/rassismus/detail/cengiz-locke.html
Kostenpflichtig
nein