... und raus bist du!

Die Ehehöllen des Ingmar Bergmann sind ein Lercherl gegen die Kinderhöllen, die in schwedischen Romanen immer wieder auftauchen; bekanntestes Beispiel bislang: Peter Pohl. Nun liegt als würdige Ergänzung Johanna Nilssons teilweise autobiografisches Buch vor, und wiederum ist die Lektüre auf Vers ...

Die Ehehöllen des Ingmar Bergmann sind ein Lercherl gegen die Kinderhöllen, die in schwedischen Romanen immer wieder auftauchen; bekanntestes Beispiel bislang: Peter Pohl. Nun liegt als würdige Ergänzung Johanna Nilssons teilweise autobiografisches Buch vor, und wiederum ist die Lektüre auf Verstörung und nicht auf Vergnügen ausgerichtet.

Ein Jahr lang erleben wir das Leiden der elfjährigen Hanna mit, die den grausamen Alltag einer Schulklasse ertragen muss. Zusehends und aus Nichtigkeiten, wie etwa dem Sich-Heraushalten aus den Wer-geht-mit-wem Spielchen, gerät sie ins Abseits; die beste Freundin ist plötzlich nicht mehr die beste Freundin, ein Mädchen bestimmt, was in ist, die Buben sind sowieso kleine sexbesessene Monster. Just zu der Zeit stirbt auch der geliebte Großvater, und Hanna vereinsamt nicht nur, sie wird auch zur Zielscheibe von Spott und körperlichen Attacken. Immer wieder versucht sie Fuß zu fassen in der Gemeinschaft, hat aber, nicht zuletzt großer Berührungsängste wegen, selbst bald ein Problem damit, positive Annäherungen zu erwidern. Eltern und Lehrer/-innen sind Meister im Wegschauen, weil Ignorieren allemal leichter ist als Parteiergreifen und Eingreifen. Aus den eingestreuten Abschnitte, die uns Hanna in einer psychiatrischen Anstalt zeigen, wissen wir, dass die Kindheitshölle, wie so oft, nicht einfach durchgestanden wird, sondern dass es irgendwann zum endgültigen Zusammenbruch kommt.

Wie schon gesagt – eine beklemmende Lektüre, bei der ich mich immer wieder fragte: Wird hier überzeichnet oder ist das eine Welt, die ich weder als Kind noch als Erwachsener kennengelernt habe, die aber wirklich nebenan existiert. Ich glaube etwa, dass ich als Lehrer sehr wohl eine Ausgrenzung, wie sie hier geschildert wird, wahrnehmen würde – und auch handeln würde. Ich glaube auch, dass ein paar oberblöde (bis bösartige) Buben eine Gemeinschaft auf Dauer nicht so sehr dominieren können, wie es hier gezeigt wird. Und ich glaube auch, dass ein Einigeln wie das von Hanna nicht nur in der schulischen Gemeinschaft begründet sein kann. Wie auch immer .- Sie sehen, das Buch hat mich durchaus beeindruckt, und es hinterlässt eine Vielzahl von Fragen; das ist Kompliment und Empfehlung genug! Bleibt noch jene letzte Frage nach dem Zielpublikum. Ich kann mir keine Elfjährigen vorstellen, die bei diesem Buch Lesefreude empfinden; vielleicht gefällt es so manchen Dreizehn- oder Vierzehnjährigen? Vielleicht wäre es interessant, "... und raus bist du!" an ältere Schüler/-innen weiterzugeben, um zu erfahren, ob sie eine Welt wie die hier geschilderte aus Erfahrung oder Wahrnehmung kennen. Was immer hier die beste Antwort ist – als Lehrer/-in sollte man das Buch auf jeden Fall lesen!
(GF14/1-1999)

 

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/julit-deutsch/schule/detail/und-raus-bist-du.html
Kostenpflichtig
nein