The Mirror & the Light

Autor MANTEL, Hilary

Verlag London: Fourth Estate 2020

Bei meiner Rezension von „Wolf Hall“ (s. Archiv), dem ersten Band der Trilogie um Thomas Cromwell, habe ich mich ganz schön geirrt; ich meinte damals, dies sei ein Booker Prize für Great Britain, nicht aber für die Welt.

Nun liegt der gewichtige dritte Band vor (auch flugs ins Deutsche übertragen und schon am 25. 3. von Löffler im Falter rezensiert), und Mantel hat es tatsächlich geschafft, eine weltweite Lese-Community fürs 16. Jahrhundert zu interessieren.

Ich bleibe trotzdem dabei – für Engländer ist die Trilogie bestimmt noch interessanter als für unsereins, aber sie bleibt allemal ein Glanzstück des historischen Romans, das gar nicht so historisch wirkt, weil es ein Lehrstück in Intrige, Grausamkeit und politischer Rücksichtslosigkeit ist. Gleichzeitig erleben wir Cromwell, dessen vier letzte Lebensjahre (1536-1540) hier geschildert werden, als gebildeten, umsichtigen und auch einsichtigen Machtpolitiker, der einerseits Erbarmen walten lässt, andererseits ruchlos genug ist, sich seiner Gegner elegant zu erledigen, und sei es nur ‚eel boy‘, den er, selbst noch Jugendlicher, getötet hat. Auch Henrich VIII (mirror&light) war anfangs ein (auch äußerlich) gewinnender, durchaus kunstsinniger Renaissance-Mensch, im dritten Band jedoch ist er nicht nur verfettet und unsympathisch, er ist vor allem unberechenbar.

Cromwell hingegen ist die Berechenbarkeit selbst, denn was ihn ganz entschieden antreibt, ist sein Ehrgeiz. Er hat sich vorgenommen, mit dem alten Adel und den papistischen Ambitionen abzurechnen, und er macht das mit einem subtilen Spionagesystem und großer Rücksichtslosigkeit. Henry überhäuft ihn daher mit Ehren und Ämtern, sogar kurz vor seinem Tod wird der Niedriggeborene befördert. Letztendlich aber siegen die Intriganten, zum Teil nur für kurze Zeit, bevor sie selbst hingerichtet werden oder an Altersschwäche sterben.

Cromwell hat sich für zu lange als unbesiegbar gehalten, bevor er eben merkt „[he] sheds no lustre of his own, but spins in a reflected light. If the light moves he is gone.“

Wie immer erschlägt schon das Personenverzeichnis, und es ist nicht immer einfach, mit allen Charakteren Schritt zu halten. Aber sowohl die erfundenen (Christophe) als auch die echten (Wyatt etwa) tragen dazu bei, dass ein großartiges Ensemble entsteht, das für eine unglaubliche Zahl an Intrigen, politischen Bündnissen und Auseinandersetzungen, aber auch an persönlichen Feindschaften verantwortlich ist. Mit großer Sprachgewalt beschert uns Mantel ein differenziertes Bild unterschiedlichster Schicksale, auch wenn sie in ein paar Absätzen nur am Scheiterhaufen verbrannt werden. Und was einen guten historischen Roman ausmacht, das liefert Mantel auch: Obwohl wir die Fakten kennen, bleibt der Roman bis zum Schluss spannend. Ich nehme Ihnen also keine Lesezeit mehr weg.

pp. 882

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
04.05.2020
Link
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