Handschreiben erhöht die Chance auf eine erfolgreiche Zukunft

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Der Weg der Kinder zum Erfolg in einer digitalen Welt führt über das Lesen und Handschreiben. Auch im Zeitalter der Digitalisierung ist das Handschreiben enorm wichtig, denn es bietet einzigartige Vorteile für die kognitive Entwicklung von Kindern.

Diese Vorteile gilt es zu nutzen. Vor allem jetzt, da die „Studie über die Entwicklung, Probleme und Interventionen zum Thema Handschreiben“ (STEP 2019) zeigte, dass die SchülerInnen in Deutschland große Probleme mit dem Handschreiben haben. Entscheidend für eine gute Handschrift ist vor allem die Schreibmotorik.

Auch in Österreich zeigt sich ein ähnliches Bild, wie aus einem europäischen Forschungsprojekt des Schreibmotorik Instituts hervorgeht, bei dem Projektpartner aus Deutschland, Österreich und Italien dabei sind. Dr. Margit Ergert, Sprachwissenschaftlerin, Geschäftsführerin von IDEUM und Projektpartner über die Situation in Österreich: „Die Kinder haben unverhältnismäßig häufig Probleme mit der Ergonomie im Schreibvorgang. Eine ungünstige Körper- und Stifthaltung, sowie unleserliches und ungelenkes Schreiben führen dazu, dass das automatisierte Schreiben viel zu spät erfolgt.“ Auch in Südtirol beklagen sich die Lehrpersonen immer wieder über mangelnde Kompetenzen im Bereich der Schreibmotorik ihrer SchülerInnen. Manchen Kindern fehle es an altersgerechten Kompetenzen im Bereich der Feinmotorik.

Handschreiben aktiviert 12 verschiedene Areale im Gehirn
Mit der Hand zu schreiben ist eine komplexe und für Schreibanfänger sehr schwierige Angelegenheit, die viel Übung, Konzentration und Ausdauer erfordert. Kein Wunder, bei dieser motorischen Tätigkeit werden etwa 17 Gelenke und 30 Muskeln koordiniert. Aber die Anstrengung lohnt sich, denn Handschreiben dient nicht nur dem Festhalten von Informationen. Das Erlernen der Handschrift ist ein wichtiger Teil zur Schulung kognitiver Fähigkeiten. Beim Handschreiben werden zwölf verschiedene Areale im Gehirn aktiviert – von der Wahrnehmung über die Verarbeitung von Informationen bis hin zur motorischen Ausführung. Kinder mit einer gut ausgebildeten, automatisierten Handschrift können schwierige Lerninhalte besser erfassen. Hierin liegt auch der Vorteil der Handschrift gegenüber dem Tippen auf Tastaturen: Der Denkprozess und die Auseinandersetzung mit den Inhalten ist beim Handschreiben intensiver und für die Merkfähigkeit und das Verständnis komplexer Zusammenhänge besser geeignet.


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STEP-Studie 2019 mit alarmierenden Ergebnissen

Die Ergebnisse der „Studie über die Entwicklung, Probleme und Interventionen zum Thema Handschreiben“ legen nahe, dass dieses Potenzial derzeit in Deutschland nicht ausgeschöpft wird.
In Kooperation mit dem Verband Bildung und Erziehung (VBE) hat das Schreibmotorik Institut von September 2018 bis Januar 2019 über 2.000 Lehrkräfte allgemeinbildender Schulen per Online-Fragebogen zu ihrer Meinung zum Handschrifterwerb befragt. Sie wurden um ihre Einschätzung bezüglich der Probleme mit dem Handschreiben, den dafür maßgeblichen Ursachen und möglichen Handlungsmöglichkeiten gebeten.

Jeder zweite Junge und jedes dritte Mädchen haben Probleme mit der Handschrift
Lediglich vier Prozent der LehrerInnen sind mit der Handschrift der SchülerInnen zufrieden. Jeder zweite Junge und jedes dritte Mädchen haben Probleme mit dem Handschreiben. "Diese Zahlen gelten auch für Österreich", ist sich Stefanie Hinterberger, Pädagogin und Leiterin des Instituts Lernstark aus Wels, sicher und meint:

Man muss zuerst die Handmuskeln trainieren, damit die Handschrift funktionieren kann!

Viele Kinder haben eine schlecht ausgeprägte Handmotorik, da immer weniger Arbeiten mit den Fingern verrichtet würden und die Hand nicht ausreichend aufs Schreiben vorbereitet würde. So werden Schuhbänder beispielsweise sehr oft durch Klettverschlüsse ersetzt, um nur ein Beispiel zu nennen.

Auch die Lehrkräfte stellen fest, dass viele Kinder unleserlich und zu langsam schreiben. Ebenso kommen verkrampfte Haltungen häufig vor.

Schreibmotorik hat eine hohe Bedeutung

Die Ursachen für die Probleme mit der Handschrift sehen die Lehrkräfte in einer Verschlechterung der Fein- und Schreibmotorik, fehlenden Festlegungen im Lehrplan, Zeitmangel zum Üben und fehlender Routine. Der zunehmende Mangel an feinmotorischen Fertigkeiten, wie man sie z. B. beim Basteln oder Kneten im Vorschulalter erwirbt, wirkt sich auch auf die Schreibmotorik aus. Kindern fällt es oft schwer, einen Stift locker zu halten. Die Problematik mit der Stifthaltung macht sich häufig erst nach der Grundschulzeit richtig bemerkbar: Nur zwei von fünf SchülerInnen in der Sekundarstufe können nach den Erfahrungen der Lehrkräfte 30 Minuten und länger beschwerdefrei schreiben. Viele klagen über Schmerzen, Verkrampfungen und Ermüdungserscheinungen.

Damit das Schreiben nicht zur Qual wird, ist ein günstiger Bewegungsablauf erforderlich. Auf diesen muss vor allem bei den ersten Schreibversuchen geachtet werden, damit sich daraus eine automatisierte und flüssige Handschrift entwickeln kann. Bei einer guten Handschrift kommt es also nicht allein auf die Formtreue der Buchstaben an, sondern auf ein geschmeidiges Zusammenspiel aller beteiligter Muskeln und Gelenke. Die Kinder sollen einen gleichmäßigen Schreibrhythmus, eine hohe Schreibgeschwindigkeit und einen angemessenen niedrigen Schreibdruck entwickeln und diese Fähigkeiten nach und nach beim Schreiben von Buchstaben, Wörtern, ganzen Sätzen und schließlich längeren Texten anwenden.

Handschreiben wirkt sich positiv auf die schulischen Leistungen aus

Die überwiegende Mehrheit der in der STEP-Studie 2019 befragten Lehrkräfte ist von der positiven Auswirkung des Handschreibens auf schulische Leistungen insgesamt sowie auf die Rechtschreibung, das Verfassen von Texten und das Lesen überzeugt. Sie empfehlen eine verstärkte individuelle Förderung der Schreibmotorik, mehr Übung und das Fördern feinmotorischer Freizeitaktivitäten. Dafür müssen vor allem auch die Eltern sensibilisiert werden.

Sabine Schilhammer, Volksschulpädagogin, Lehrerfortbildnerin und Schulentwicklungsberaterin, setzt gezielte Übungen spielerisch in ihrer Klasse ein, weil:

Oftmals kommen die Kinder schon mit einer falsch eintrainierten Stifthaltung in die Schule!

Mit den Übungen wird versucht, die falsche Haltung mit gezielten Schreibmotorikübungen zu korrigieren. Die Übungen werden von den Kindern nicht mit „dem Schreiben“ in Verbindung gebracht, sondern werden als Spiele angesehen. Diese Denkweise der SchülerInnen unterstützt erfolgreich den Schreiblernvorgang. Deshalb sollte schon so früh als Möglich ein großes Hauptaugenmerk auf die Stifthaltung gelegt werden. Eltern und PädagogInnen des Kindergartens sollten darauf sensibilisiert werden, damit Schreiben nicht mit Schmerzen verbunden ist und eine korrekte und vor allem lockere Schreibhaltung ermöglicht werden kann. So macht Schreiben Spaß!“, so Schilhammer.

Eine Stunde schreibmotorisches Training reicht aus

Dass eine gezielte Förderung wirksam ist, wurde in einer wissenschaftlichen Studie zur schreibmotorischen Förderung bei Erstklässlern, die im Schuljahr 2014/2015 bei 102 Erstklässlern stattfand, nachgewiesen. Die Kinder der Testgruppe konnten am Ende des Schuljahres signifikant schneller und mit einem signifikant niedrigerem Schreibdruck schreiben. Eine Stunde Training mit speziellen schreibmotorischen Übungen ist dafür bereits ausreichend. Gute Übungsmöglichkeiten bieten die Praxisbücher „Schreibmotorik“: „Vorbereitung auf das Schreibenlernen“ für die Vorschule und „Schreiben lernen leicht gemacht“ für die erste und zweite Jahrgangsstufe.

Gastbeitrag von Dr. Marianela Diaz Meyer. Sie setzt sich seit 2014 als Leiterin des Schreibmotorik Instituts für eine verbesserte Förderung des Handschreibens ein. Durch neue Initiativen, Veranstaltungen, Projekte und bundesweite Umfragen zum Thema Handschreiben wird dies vorangetrieben. Besonders wichtig ist es ihr, aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zum Schriftspracherwerb aus unterschiedlichen Fachdisziplinen in die pädagogische Aus- und Weiterbildung zu tragen.

Brandaktuelle Infos zum Thema Handschreiben finden Sie auch in der Nachlese des "3. International Symposium on Handwriting Skills", das am 11. Oktober 2019 in Berlin stattgefunden hat. Wesentliche Ergebnisse daraus: Handschreiben braucht mehr Förderung entlang der gesamten Bildungskette (daheim/im Kindergarten/ in Schule u. Ausbildung) und die Digitalisierung wird das Handschreiben nicht verdrängen.