In der Ruhe liegt die Kraft - das gut geplante Konfliktgespräch

Gehen Sie mit Bewußtheit in jedes Konfliktgespräch hinein. Das setzt voraus, dass Sie sich vor jedem Gespräch Gedanken darüber machen sollten, welche Ziele Sie verfolgen und wie Sie das Gespräch führen, d.h. darauf aufbauen möchten.

 

 
Linz STREITSCHULE Graz

M.Mag. Fridolin F. Schwaiger + Daniela Mayrhofer
 

In der Ruhe liegt die Kraft -

das gut geplante Konfliktgespräch

Gehen Sie mit Bewußtheit in jedes Konfliktgespräch hinein. Das

setzt voraus, dass Sie sich vor jedem Gespräch Gedanken darüber machen

sollten, welche Ziele Sie verfolgen und wie Sie das Gespräch führen,

d.h. darauf aufbauen möchten.

Versuchen Sie dabei im Vorfeld zu unterscheiden, wo im Konflikt der Zündstoff

liegt und wo der Schlüssel für eine Gemeinsamkeit mit dem Gesprächspartner

gegeben sein könnte.

Als Grundregel gilt dabei, dass nur auf der Basis von Gemeinsamkeit und Begegnung

es bei der Konfliktbewältigung möglich ist, den Zündstoff des

Konfliktes in positiven Treibstoff zu wandeln, ohne sich dabe die Finger zu

verbrennen.

Dazu ein konkretes Konfliktbeispiel:

Ein Lehrer hat die Eltern eines Kindes zu sich gebeten, das seit einigen Wochen

verhaltensauffällig ist. Der Junge - nennen wir ihn Markus - prügelt

sich seit einiger Zeit häufig mit seinen Schulkameraden und teilweise

eskalieren diese Streitigkeiten derart heftig, dass auch mal Blut fließt.

Nach Einschätzung des Klassenlehrers ist Markus der Verursacher der Auseinandersetzungen.

Alle bisherigen Gespräche mit Markus verliefen erfolglos. Er blockt ab

und mach dicht. Dessen Eltern wissen aus einem kurzen Telefonat, worum es bei

dem Gespräch mit dem Lehrer gehen wird. Zum vereinbarten Termin erscheint

der Vater von Markus.

So viel zum Szenario des anstehenden Gesprächs. Nun zu

den Gedanken darüber, „worin

der Zündstoff bestehen könnte und wo gemeinsame Interessen mit dem

Vater liegen könnten:

Zündstoff

Ein Abstempeln von Markus als verhaltensauffällig und gewaltbereit wäre

eine Schuldzuschreibung: Markus ist ein Prügelknabe! Vermutlich wird sich

der Vater schützend vor seinen Sohn stellen, die Schuldzuschreibung als

Angriff empfinden und - da er schützend vor seinem Sohn steht - den Angriff

als gegen sich gerichtet empfinden. Eine Abstempelung seines Sohnes als „gewaltbereit" wird

der Vater so hören: „Ich bin Vater eines gewaltbereiten Sohnes.

Und da ein Apfel nicht weit vom Stamm fällt, bin ich schuld!"

Gemeinsamkeit

Vater und Lehrer wollen dem Sohn helfen, der sich offenbar in Schwierigkeiten

befindet. Beide haben demnach ein ähnliches Interesse: durch gemeinsame

Maßnahmen und gegenseitige Hilfe die Situation von Markus zu verbessern.

Nachfolgend wird der Ablauf des Gesprächs skizziert, wie es in dem Falle

verlaufen könnte, dass der Zündstoff in den Vordergrund gestellt

wird:

Lehrer: „Guten Tag Herr Maier. Schön, dass Sie die Zeitfürdas

Gespräch gefunden haben. Setzen Sie sich. "

Vater: „Guten Tag. Worum geht's?"

Lehrer: „Markus macht mir Sorgen. Seit einigen Wochen provoziert er immer

wieder Prügeleien auf dem Schulhof und manchmal auch in der Klasse, die

teilweise heftig verlaufen.Anadere Eltern haben sich bereits über ihn

beschwert. Auf einen Punkt gebracht: Markus fällt d urch eine erhöhte

Gewaltbereitschaft auf, und wir müssen einfach etwas unternehmen - auch

zum Schutz anderer Kinder. "

Vater: „Moment mal, wollen Sie damit sagen, dass mein Sven ein Gewalttäter

ist? Das kann doch gar nicht sein. Mir erzählt er aber etwas ganz anderes:

Wenn mein Sohn gemobbt und gehänselt wird, dann muss er sich doch wehren.

Es ist schließlich Ihre Pficht, Aufsicht zu führen. Wenn Sie dazu

nicht in der Lage sind, mein Kindzu schützen, dann... "

Hier steigen wir aus dem Gespräch aus. Es verläuft als Frontenkrieg.

Die beiden Kontrahenten werden viel Mühe haben, ihre Schützengräben

zu verlassen, um dem Sohn zu helfen. Markus bleibt auf der Strecke.

Wie also hätte der Lehrer vermeiden können, durch Schuldzuschreibungen

und Verurteilungen den Konflikt zu verengen und den Vater zu einem Gegenangriff

zu veranlassen:

Lehrer: „Guten Tag, Herr Maier. Schön, dass Sie die Zeit für

das Gespräch gefunden haben. Setzen Sie sich. "

Vater: „Guten Tag. Zeit gefunden ist gut: Sie haben

mich herbeizitiert. Wahr-scheinlich, weil Markus angeblich wieder mal was

ausgefressen hat. "

Lehrer: "Markus hat nichts ausgefressen, aber ich mache mir Sorgen. Und

ich habe Sie zu dem Gespräch gebeten, weil ich gemeinsam mit Ihnen Hilfe

für Markus suchen möchte "

Vater: „Das sind ja ganz neue Töne von Ihnen.

Da bin ich ja mal gespannt."

Lehrer: „Ich möchte Ihnen kurz meinen Eindruck

schildern: Ich denke dass Markus in letzter Zeit nicht mehr gerne zur Schule

geht. Er kam dreimal

diese Woche erst in der dritten Stunde. "

Er hat viel Streit und viel Ärger mit seinen Kameraden

und manche dieser Konflikte enden mit einer blutigen Nase. Wenn ich die Kampfhähne

dann frage, wer angefangen hat, dann zeigt einer auf den anderen. Aber um die

Schuldfrage

geht es auch gar nicht: Ich mache mir Sorgen, weil ich ihn so gar nicht kenne.Er

ist seit vier Wochen in mindestens drei Schlägereien pro Woche verwickelt,

und ich glaube, er braucht Hilfe. Deshalb bin ich dankbar, dass Sie gekommen

sind."

Vater: „Wollen Sie sagen, dass mein Kind prügelt. Das ist doch

lächerlich. Mir erzählt er etwas ganz anderes. Markus wird gemobbt."

Lehrer: „Er hat Ihnen erzählt, dass er gemobbt

wir?'"

Vater: "Natürlich. Wenn er mit einer blutigen

Nase kommt, frage ich doch nach. Tja, und dann heult er los... "

Das Gespräch steht nach einem schweren Start auf einer gemeinsamen Basis.

Aber der „bis an die Zähne bewaffnete" Vater macht es dem Lehrer

nicht gerade leicht, den Weg der Kooperation zu beschreiten. Präventiv

startet er eine angreifende Verteidigung nach der anderen. Nur mit Hilfe einer

beharrlichen Ignoranz der Angriffe und einer fortgesetzten Kooperation kommt

der Lehrer allmählich zum Ziel: eine gemeinsame Hilfe für Markus

zu suchen.

Entscheidend für den Konfliktverlauf war neben der Artikulation des Konflikt-Interesses,

nämlich Markus helfen zu wollen, der Verzicht des Lehrers, zu Beginn des

Gesprächs eine Schuldzuschreibung an Markus vorzunehmen: Statt Markus

als Verursacher der Streits zu benennen, hat der Lehrer die Schuldfrage offen

gelassen und stattdessen von Konflikten gesprochen, in die Markus zunehmend

verwickelt ist.

Damit hat er eine wohlwollende Beschreibung vorgenommen, die

dem Vater die Möglichkeit eröffnet, sich seinerseits auf das Gespräch

einzulassen. Wenn Markus nicht angegriffen wird, muss sich der Vater auch nicht

mit einem

verteidigenden

Gegenangriff in die Schusslinie werfen ...

Aber ist der Lehrer nicht unehrlich: Er ist sich doch sicher, dass Markus

der Verursacher der Auseinandersetzungen ist.

Nein! Der Lehrer führt das Gespräch. Er geht taktisch vor. Zunächst

stellt er eine gemeinsame Basis mit dem Vater her - die Hilfe für Markus

-, dann spricht er Fakten an. Er bringt den Zündstoff in das Gespräch

erst ein, wenn er sicher ist, dass er den Vater im Boot hat und dieser schon

aus Interesse für seinen Sohn die Lunte nicht anzünden wird, die

das Boot zum Explodieren bringt.

Gegen Ende des Gesprächs redet der Lehrer Klartext:

Lehrer: „Herr Maier, vielen Dank für Ihre Offenheit. Ich denke,

mir ist jetzt einiges klarer. Das, was Sie mir erzählt haben, deckt sich

auch mit meiner Beobachtung: Markus reagiert auf die Probleme, die Sie mir

geschildert haben, mit einer großen Gereiztheit. Bei dem kleinsten Ärger

geht er an die Decke und eckt damit bei seinen Klassenkameraden an. Und dadurch

provoziert er natürlich viele Streitigkeiten, in denen er teilweise überreagiert.

Ich denke, er ist in diesen Situationen, in denen er um sich schlägt,

einfach hilflos."

Vater: „Zu Hause erlebe ich das auch manchmal ... "

Ein Gespräch zu führen heißt nicht, Tatsachen aus Angst vor

Zündstoff zu unterschlagen oder schön zu färben. Gesprächsführung

setzt aber voraus, sich darüber bewusst zu sein, dass die Benennung von

Zündstoff zu einem Zeitpunkt, da eine Gemeinsamkeit in dem Konflikt noch

nicht gegeben ist, zur Explosion und damit zur Eskalation führen kann.

TextQuelle: Angriff ist die schlechteste Verteidigung

- Der Weg zur kooperativen Konfliktbewältigung / Verlag Jungfermann

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Deutsch
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Veröffentlicht am
01.07.2001
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