Vielleicht sogar wir alle

Bisweilen frage ich mich ja – welche Jugendlichen sind es, die so ein Buch lesen? Denn da ist wenig Action, wir nehmen einfach teil am Leben einer leicht schrägen Familie (aber so sind fast alle Familien).

Es müssen die Vielleser/innen sein, jemand anderem würde ich den Roman nicht in die Hand drücken, obwohl er mir immer mehr und mehr gefallen hat, besonders wegen der Figur des Vaters.

Charlie (pubertierendes Mädchen) fühlt sich ungeliebt, ihr Bruder Esteban wird gemobbt, die Mutter Nadine ist sichtlich genervt von den Kindern, die sie in der École maternelle (also Kindergarten) unterrichtet, und der Vater Marc, Leiter einer Niederlassung einer Transportfirma, ist gezwungen umzustrukturieren, weil die Firma an Holländer verkauft wurde. Umstrukturieren heißt natürlich kündigen, besonders die Verlierer, die er eingestellt hat und mit denen er den Betrieb trotzdem gewinnbringend führt. Wir verfolgen also die einzelnen Charaktere in ihrem Alltagsleben, aber am spannendsten ist doch die Auseinandersetzung zwischen Vater und dem Umstrukturierer in Gestalt des Firmenchef-Sohns.

Das liest sich zusehends besser und besser, vor allem auch deswegen, weil Murail mit zahlreichen interessanten (und bisweilen skurrilen) Nebencharakteren aufwartet und weil sehr ernsthaft die Probleme einer Arbeitswelt, die nur auf Gewinnmaximierung aus ist, gezeigt werden. Kein Wundern, dass sich Marc neuerdings für Jurten interessiert…

Einen Versuch wert!

Fischer Schatzinsel 2012; S. 356

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
04.09.2012
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/julit-deutsch/detail/vielleicht-sogar-wir-alle.html
Kostenpflichtig
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