Anerkennung ohne Belohnung und Bestrafung - 3 Tipps für pädagogische Fachkräfte
Gemeinsam wollen wir die Gedanken inspirierender Pioniere wie Gordon Neufeld, Jesper Juul und Emmi Pikler erkunden. Ihre Ideen eröffnen uns eine Welt, in der Kinder ohne Angst und Druck in ihrer natürlichen Entwicklung unterstützt werden.
Lasst uns gemeinsam herausfinden, wie wir diese liebevolle Herangehensweise in unseren Schulen umsetzen können.
Warum Belohnung und Bestrafung nicht immer die beste Wahl sind
Belohnung und Bestrafung sind lange Zeit als bewährte Mittel in der pädagogischen Praxis angesehen worden.
Sie können kurzfristig Verhaltensänderungen bewirken, aber auf lange Sicht können sie die positive Entwicklung und das Lernen der Kinder beeinträchtigen. Hier sind einige Gründe, warum Belohnung und Bestrafung nicht förderlich für die Entwicklung der Kinder sind:
- Externe Motivation vs. Innere Motivation
Belohnungen und Bestrafungen setzen auf äußere Anreize, um gewünschtes Verhalten zu erzielen. Dies fördert keine intrinsische Motivation, bei der Kinder aus eigenem Interesse und Freude handeln. Kinder sollten ermutigt werden, aus intrinsischer Motivation zu lernen und zu handeln, da dies zu langfristigem Engagement und Lernerfolg führt.
- Kreativitäts- und Denkblockaden
Belohnungen können zu einer Einschränkung der Kreativität führen, da Kinder möglicherweise nur auf das Ziel hinarbeiten, für das sie belohnt werden, anstatt neue Ideen zu erkunden. Bestrafungen können Angst und Stress verursachen, was wiederum die kognitive Funktion beeinträchtigt und das Lernen beeinflussen kann.
- Abhängigkeit von Belohnungen
Kinder könnten abhängig von Belohnungen werden, sodass sie ohne Aussicht auf eine Belohnung möglicherweise nicht motiviert sind, bestimmte Aufgaben zu erledigen. Langfristig könnte dies zu Schwierigkeiten führen, wenn keine Belohnungen mehr angeboten werden.
- Soziales und emotionales Wohlsein
Belohnungen und Bestrafungen beeinflussen die Beziehung zwischen Lehrern und Schülern. Kinder könnten das Gefühl haben, für gute Leistungen geliebt und für schlechtes Verhalten bestraft zu werden. Dies kann ihr Selbstwertgefühl beeinträchtigen und das Vertrauen in Erwachsene verringern.
- Langfristiges Verständnis und Verhalten
Belohnungen und Bestrafungen konzentrieren sich auf kurzfristige Verhaltensänderungen, vernachlässigen jedoch die Entwicklung von langfristigem Verständnis, moralischem Denken und positivem Verhalten. Kinder lernen möglicherweise nicht, die Gründe hinter ihren Handlungen zu verstehen oder wie sie mit schwierigen Situationen umgehen sollen.
Stattdessen ist es besser, pädagogische Ansätze zu verwenden, die auf Verständnis, Kommunikation, Empathie und positive Beziehung setzen, um eine gesunde soziale, emotionale und intellektuelle Entwicklung bei Kindern zu fördern.
Im nächsten Abschnitt geht es nun darum, Ihnen konkrete Tipps und Ideen zu geben, wie Sie eine bindungsorientierte Umgebung und einen wertschätzenden Umgang in der täglichen pädagogischen Praxis aktiv umsetzen können.
1. Tipp: Authentische Wertschätzung
Authentische Wertschätzung ist ein kraftvolles Instrument in der liebevollen und bindungsorientierten Erziehung. Hierbei geht es darum, die positiven Eigenschaften und Leistungen eines Kindes aufrichtig zu erkennen und anzuerkennen, ohne dabei auf Belohnungen als Anreize zurückzugreifen. Hinter diesem Ansatz steht die Idee, dass Kinder eine innere Motivation und den Wunsch nach Anerkennung haben, die von Herzen kommt.
Um authentische Wertschätzung effektiv zu vermitteln, ist es wichtig, ehrlich und spezifisch zu sein. Statt allgemeiner Lobpreisungen können Sie beispielsweise die konkreten Anstrengungen, den Lernprozess oder das Engagement eines Kindes hervorheben. Durch diese Individualisierung fühlen sich Kinder wertgeschätzt und motiviert, ihre besten Fähigkeiten einzusetzen.
Ein praktisches Beispiel aus dem Schulalltag
Stellen Sie sich vor, ein Schüler namens Max hat Schwierigkeiten in Mathematik, aber in der letzten Woche hat er sich besonders angestrengt, um seine Noten zu verbessern. Statt einfach zu sagen, "Gute Arbeit, Max," könnten Sie sagen, "Max, ich habe bemerkt, wie hart du in dieser Woche an deinen Mathematikaufgaben gearbeitet hast. Deine Anstrengungen zeigen, dass du dich wirklich bemühst, und das ist großartig." Auf diese Weise wird Max nicht nur für seine Anstrengungen gewürdigt, sondern er fühlt sich auch verstanden und ermutigt, weiterhin sein Bestes zu geben.
2. Tipp: Aufmerksames Zuhören
Aktives Zuhören ist ebenso ein entscheidender Bestandteil einer liebevollen und bindungsorientierten Erziehung. Es ermöglicht nicht nur die Entwicklung einer starken Bindung zwischen Pädagogen und Kindern, sondern hilft auch dabei, die Bedürfnisse der Kinder zu erkennen und darauf einzugehen, ohne auf Bestrafung zurückzugreifen.
Das aktive Zuhören bedeutet, den Kindern ihre uneingeschränkte Aufmerksamkeit zu schenken, wenn sie sprechen. Es geht darum, ihre Gedanken, Gefühle und Anliegen ernst zu nehmen, ohne sie zu bewerten oder zu beurteilen. Kinder fühlen sich durch diese Art des Zuhörens verstanden und respektiert, was ihre Selbstachtung stärkt und ihre Bereitschaft fördert, offen über ihre Gedanken und Sorgen zu sprechen.
Ein Beispiel aus dem Schulalltag
Stellen Sie sich vor, eine Schülerin namens Lisa hat Schwierigkeiten, sich im Unterricht zu konzentrieren. Anstatt sie sofort zu rügen oder zu bestrafen, könnten Sie sie nach dem Unterricht in ruhiger Umgebung ansprechen und ihr die Möglichkeit geben, ihre Gefühle und Gedanken mitzuteilen. Durch aufmerksames Zuhören können Sie herausfinden, dass Lisa möglicherweise Probleme zu Hause hat, die ihre Konzentration beeinträchtigen. Anstatt sie zu bestrafen, könnten Sie dann gemeinsam Lösungen entwickeln, um ihr zu helfen, sich besser auf den Unterricht zu konzentrieren. Auf diese Weise wird die Bindung gestärkt, und Lisa fühlt sich unterstützt statt bestraft.
3. Tipp: Förderung der Selbstregulation
Die Fähigkeit zur Selbstregulation ist von entscheidender Bedeutung für die persönliche Entwicklung von Kindern. In der Pädagogik ist es unser Ziel, Kinder zu ermutigen, ihre eigenen Emotionen und Verhaltensweisen zu kontrollieren und zu lenken, ohne auf Bestrafung als Druckmittel zurückzugreifen.
Die Selbstregulation fördert nicht nur die Unabhängigkeit, sondern auch das Selbstvertrauen der Kinder. Es ermöglicht ihnen, selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen und Verantwortung für ihr eigenes Verhalten zu übernehmen.
Ein Beispiel aus dem Schulalltag
Nehmen wir an, ein Schüler namens Tom zeigt in der Klasse wiederholt störendes Verhalten. Anstatt ihn zu bestrafen, könnten Sie mit ihm gemeinsam an einer Strategie arbeiten, wie er seine Impulse besser kontrollieren kann. Gemeinsam setzen Sie Ziele und entwickeln einen Plan, um sein Verhalten zu verbessern. Wenn er Fortschritte macht, bemerken Sie die Anstrengungen und ermutigen ihn, selbstverantwortlich an seiner Selbstregulation zu arbeiten. Auf diese Weise entwickelt Tom nicht nur Selbstregulation, sondern erlebt auch die Unterstützung und Ermutigung seiner Lehrkraft, was eine positive Bindung und eine gesunde Lernumgebung fördert.
Fazit & Ausblick
Im Schulsystem stehen Lehrkräfte vor einer anspruchsvollen Aufgabe. Einerseits müssen sie den vorgeschriebenen Lehrstoff vermitteln und sicherstellen, dass Schülerinnen und Schüler die erforderlichen Kenntnisse erwerben. Andererseits sollten sie einfühlsam auf die individuellen Bedürfnisse und Entwicklungen jedes Kindes eingehen. Diese Herausforderung erfordert einen ausgewogenen Ansatz, bei dem Lehrkräfte den Lehrstoff effizient strukturieren und gleichzeitig Raum für individuelle Unterschiede und Bindung schaffen.
Ein liebevoller und aufmerksamer Umgang mit den Schülerinnen und Schülern verbessert die Lernumgebung. Das führt dazu, dass sie in einer unterstützenden und vertrauensvollen Atmosphäre oft besser lernen können. Die Lehrkräfte sollten somit vermehrt einen Fokus auf die Stimmung im Klassenverband haben.
Es erfordert jedoch von Lehrkräften eine gute Balance und die Fähigkeit, flexibel auf die Bedürfnisse ihrer Schülerinnen und Schüler einzugehen, während sie den Lehrstoff vermitteln.
In diesem Spannungsfeld liegt die Zukunft der Pädagogik. Die Möglichkeit, eine liebevolle und bindungsorientierte Erziehung mit einem effektiven Unterricht zu verknüpfen, bietet einen reichen Nährboden für das Wachstum unserer Schülerinnen und Schüler. Die Lehrenden von heute gestalten die Bildungslandschaft von morgen, und diese Verantwortung bietet die Chance, eine Generation von selbstbewussten, empathischen und kompetenten Individuen zu begleiten.
Birgit Gattringer (Elterncoach)
Mag. (FH) Birgit Gattringer ist familylab-Trainerin nach Jesper Juul, Dipl. Mentaltrainerin und Dipl. Kinder- und Jugendmentaltrainerin. Sie ist selbst Mama von 2 Jungs und gibt ihr Wissen auf der Plattform www.starkekids.com weiter.
Ihr Herzensthema ist es, ein harmonisches Umfeld für Kinder zu schaffen, in dem die Kinder selbstbewusst und stark für’s Leben heranwachsen können.