Bürokratie für Lehrergewerkschaft bundesweites Problem

Bildungsminister Martin Polaschek hat mit seiner Reaktion auf einen offenen Brief der Wiener Pflichtschuldirektoren die Lehrergewerkschaft irritiert. Die Schulleiter hatten über "permanente Überbelastung" durch Bürokratie geklagt und einen Runden Tisch mit Bildungsressort und Stadt gefordert. Aus Polascheks Büro hieß es dazu, aus Bundesschulen oder anderen Ländern seien derartige Probleme nicht bekannt. Das Problem bestehe bundesweit, betont dagegen die Gewerkschaft.

Lehrpersonal versinkt in Verwaltung

Der oberste Lehrervertreter Paul Kimberger (FCG) kann die Darstellung des Ministeriums nicht nachvollziehen. Seit Jahren würden Schulleitungen und Lehrpersonal "in Verwaltung, Bürokratie und sinnbefreiten Abfragen versinken" - und das in allen Bundesländern. Die Gewerkschaft fordere deshalb sei Jahren einen Abbau von Bürokratie und mehr Unterstützungspersonal, damit sich Direktoren und Lehrer wieder auf ihre Kernaufgaben - Pädagogik, Unterricht und Erziehung - konzentrieren könnten. Die Behörden wüssten teilweise überhaupt nicht, wie die Realität an den Schulen aussieht und wie hoch die Belastung der Schulleitungen und Lehrer bereits ist.

Gewerkschaftliche Maßnahmen in den Raum gestellt

"Wenn wir nicht sofort Maßnahmen bekommen, um die Belastung der Schulstandorte zu senken, werden wir in den nächsten Wochen aufgrund der hohen Belastungssituation noch viel mehr Ausfälle produzieren und das Problem wird sich noch weiter verschärfen", warnt Kimberger im Gespräch mit der APA. Sollte es weiterhin keine wesentlichen Verbesserungen geben, schließe er auch gewerkschaftliche Maßnahmen nicht aus. "Wirklich nur Dienst nach Vorschrift zu machen, hätte eine enorme Wirkung, damit alle Verantwortlichen einmal sehen, was über alle Grenzen hinweg von den Schulen, den Schulleiterinnen und den Lehrern geleistet wird."

"Riesiges Defizit"

In der Vergangenheit seien zwar bereits vom Bildungsministerium in Absprache mit der Gewerkschaft Entlastungspakete geschnürt worden, um den Verwaltungsaufwand zu verringern. Diese seien von den Bildungsdirektionen aber nicht wie gewünscht an die Schulen weitergegeben worden und würden auch nicht mehr ausreichen. Mittlerweile führe er jede Woche Gespräche mit mehreren Schulleitern, die wieder in die Klasse wechseln wollen, mit Lehrern, die das Schulsystem ganz verlassen wollen, und mit Quereinsteigern, die sich die Arbeit anders vorgestellt haben und wieder ausscheiden wollen, weil das System nicht die nötige Unterstützung bekomme. Von Bildungsministerium und Bildungsdirektionen gebe es hier "ein riesiges Defizit".

Überbordender Verwaltungsaufwand lähmt Lehrerschaft

Auch er wisse aus dem Austausch mit Vertretern anderer Bundesländer, dass es ähnliche Probleme wie in Wien zumindest regional in den anderen Bundesländern gebe, so der oberste Wiener Lehrervertreter Thomas Krebs (FCG) gegenüber der APA. Immerhin sei ein Grund für die aktuell besonders starke Überlastung das Bildungsreformgesetz von 2017. Nach der "schleppenden" Einrichtung der Bildungsdirektionen als neue Verwaltungsbehörde sowie den Verzögerungen durch die Coronapandemie sollten hier nun alle damit zusammenhängenden Verwaltungsumstellungen auf einmal erfolgen, so Krebs. Das sei allerdings extrem aufwändig und diese Zeit fehle den Schulleitungen dann für ihre eigentliche Arbeit mit den Lehrern und Schülern. "Gerade in Zeiten eines Lehrermangels wird eine Schule durch jeden Verwaltungsprozess, der überbordend ist, gelähmt."

Gutteil der Arbeitszeit für administrative Aufgaben

Erst vor einem Jahr hatte eine Gruppe Bildungswissenschafterinnen, Schulleiter und Personen aus der Bildungsadministration nach einer wissenschaftlichen Tagung zum Thema Schulqualität einen Appell an Bildungsminister Polaschek veröffentlicht, die Schulen von Administration zu entlasten. Ein Gutteil der Arbeitszeit gehe für administrative Aufgaben drauf, die auch Hilfskräfte erledigen könnten, so damals das Ergebnis einer Befragung von 40 Schulleitern aus ganz Österreich. Für die Arbeit an der Verbesserung des Lehrens und Lernens an den Schulen bleibe dadurch "zu wenig und manchmal gar keine Zeit". Dazu komme, dass die Schulleitungen zu wenig Spielraum hätten, um wirklich zu gestalten. Die Folge: Auf Ausschreibungen für Schulleitungsposten gebe es zu wenige oder gar keine Bewerbungen.

Ministerium sieht weiterhin Wien-spezifische Probleme

Im Bildungsministerium wurde betont, dass die Vereinigung von Wiener Pflichtschuldirektorinnen und -direktoren in ihrem Offenen Brief zahlreiche wienspezifische Problemstellungen angeführt habe, etwa bei der Kritik an Softwarelösungen oder dem Planstellenmanagement. "Als Dienstgeber und Schulerhalter ist hier in erste Linie die Stadt Wien gefordert." Dem Ministerium sei es jedenfalls ein zentrales Anliegen, das Lehrpersonal von Verwaltungsaufgaben zu entlasten. Deshalb seien gemeinsam mit der Personalvertretung auch bereits zwei konkrete Entlastungspakete auf den Weg gebracht worden, darunter Sekretariatskräfte an den Pflichtschulen, außerdem seien Erhebungen und Dienstbesprechungen reduziert und die interne Schulevaluation ausgesetzt worden. Gerade beim Thema Kommunikation sei das Ministerium höchst bemüht, diese schlanker zu gestalten und zu verbessern. Dazu gebe es auch einen regelmäßigen Austausch mit der Lehrervertretung. "Wir gehen davon aus, dass die genannten Themen im Rahmen dieses Austauschs angesprochen werden."