DIALOGA: Ein Chatbot für Sprachdiagnostik und Sprachförderung im inklusiven Unterricht

Gerade Lehrer:innen in inklusiven Settings, Schwerpunktklassen oder Integrationsschwerpunkten stehen vor der Aufgabe, Hinweise auf Sprachentwicklungsstörungen zu erkennen, Diagnosen zu verstehen und sprachliche Förderung systematisch in den Unterricht einzubauen. Hier setzt DIALOGA an.
Zielgruppe und Einsatzkontext
DIALOGA richtet sich an Lehrer:innen sowie an Lehramtsstudierende mit Schwerpunkt Sonderpädagogik und Inklusion in der Primarstufe.
Typische Nutzungssituationen sind zum Beispiel
- Vorbereitung oder Nachbereitung eines Unterrichtstages mit sprachauffälligen Schüler:innen,
- Klärung von Fachbegriffen beim Lesen logopädischer oder kinderpsychiatrischer Befunde,
- Unterstützung bei der Formulierung pädagogischer Gutachten,
- Ideenfindung für sprachdiagnostische Beobachtungen im Unterricht,
- Planung von Sprachförderimpulsen in allen Fächern, nicht nur im Deutschunterricht.
DIALOGA unterstützt diese Situationen mit fachlich fundierten Informationen und mit Formulierungshilfen, ohne die professionelle Verantwortung der Lehrkraft zu ersetzen.
Fachliche Basis und Funktionslogik
DIALOGA arbeitet mit einer klar vorstrukturierten Prompt-Logik. Lehrkräfte geben Thema und Zielsetzung ihrer Anfrage präzise an, etwa:
- „Hilf mir, ein Elterngespräch zum Verdacht auf eine Sprachentwicklungsstörung vorzubereiten.“
- „Formuliere eine Rückmeldung an eine Kollegin zur Beobachtung eines Kindes mit eingeschränktem Sprachverständnis.“
- „Gib mir Leitfragen für eine sprachdiagnostische Beobachtung im Mathematikunterricht.“
Die Antworten von DIALOGA orientieren sich an aktueller Fachliteratur mit Schwerpunkt Sprachheilpädagogik und inklusiver Pädagogik, unter anderem an Veröffentlichungen von Jörg Mußmann sowie an frei zugänglichen Publikationen aus der Fachcommunity. Klinisch-therapeutische Aspekte wie Diagnosestellung oder Therapieplanung bleiben bewusst außen vor.
Im Zentrum stehen pädagogische Fragen: Wie beschreiben Lehrer:innen beobachtete sprachliche Auffälligkeiten präzise? Wie lassen sich Fachbegriffe in alltagssprachliche Erklärungen für Eltern übersetzen? Welche sprachfördernden Anpassungen ergeben im Unterricht Sinn?

Typische Anwendungsszenarien aus der Praxis, zum Beispiel…
1. Vorbereitung eines Elterngesprächs bei Verdacht auf Sprachentwicklungsstörung
Eine Lehrerin beobachtet bei einem Kind auffällige Satzstrukturen, eingeschränkten Wortschatz und Verständnisschwierigkeiten bei Arbeitsanweisungen. Sie möchte dies mit den Eltern besprechen, ohne zu pathologisieren oder vorschnell Diagnosen zu verwenden.
Mit DIALOGA geht sie schrittweise vor:
- Zunächst klärt sie fachliche Begriffe wie „Sprachentwicklungsstörung“, „Sprachverständnisstörung“ oder „phonetisch-phonologische Störung“ in einer für sie verständlichen Form.
- Anschließend fordert sie Vorschläge für alltagssprachliche Formulierungen, mit denen sie Beobachtungen beschreibt, ohne das Kind zu stigmatisieren.
- DIALOGA liefert Beispieläußerungen und Leitfragen, die Eltern einbeziehen und die pädagogische Perspektive verdeutlichen.
2. Anpassung einer Arbeitsanweisung für sprachlich schwächere Schüler:innen
Ein Lehrer plant eine Sachunterrichtsstunde mit mehrschrittiger Arbeitsanweisung. Einige Kinder mit Sprachauffälligkeiten scheitern regelmäßig an der sprachlichen Komplexität der Aufgaben.
Der Lehrer gibt DIALOGA zum Beispiel folgende Anfrage:
- „Formuliere diese Arbeitsanweisung so um, dass sie für Kinder mit Sprachverständnisproblemen leichter zugänglich wird. Gib mir zusätzlich Ideen für Visualisierungen.“
DIALOGA
- vereinfacht Satzbau und Wortwahl,
- schlägt kurze, klar getrennte Handlungsschritte vor,
- ergänzt Vorschläge für Visualisierung, etwa Piktogramme oder Ablaufpläne,
- verweist auf Möglichkeiten zur mündlichen Wiederholung und zum Nachfragen.
3. Reflexion einer inklusiven Unterrichtssituation
Eine Lehramtsstudentin dokumentiert eine Hospitationsstunde mit einem sprachauffälligen Kind. Sie möchte reflektieren, wo sprachliche Barrieren entstanden sind und welche Förderansätze realistisch gewesen wären.
Mit DIALOGA
- strukturiert sie ihre Beobachtungen,
- klärt, welche Auffälligkeiten eher auf Sprachverarbeitung, welche eher auf Aufmerksamkeit oder Motivation hindeuten,
- erhält Leitfragen zur eigenen Rolle als Beobachterin, etwa zu möglichen Wahrnehmungsverzerrungen,
- entwickelt Ideen, wie Unterrichtssprache und Visualisierung in einer ähnlichen Situation sprachförderlich gestaltet werden können.
Haltung: Unterstützung statt Rezeptlieferung
DIALOGA verfolgt eine klare pädagogische Grundhaltung: Der Chatbot unterstützt die professionelle Urteilsbildung von Lehrer:innen, er ersetzt sie nicht.
Der Beitrag des Systems liegt in
- fachlich geprüften Informationen zur Sprachentwicklung und zu Sprachstörungen im Bildungskontext,
- Denkanstößen für konkrete Unterrichtssituationen,
- Formulierungshilfen für Gespräche mit Eltern, Kolleg:innen,
- Reflexionsfragen, die eigene Routinen hinterfragen.
Nicht geleistet werden
- klinisch-logopädische Diagnostik,
- Entscheidungen über Therapiemaßnahmen im Gesundheitssystem,
- Bearbeitung von Krisensituationen oder eskalierten Konflikten.
Lehrer:innen behalten die Verantwortung für Diagnosewege, Förderentscheidungen, Beziehungsgestaltung und Kooperation mit Fachpersonen.

Datenschutz und verantwortlicher Umgang mit Informationen
DIALOGA ist über die Website www.praxis-sprache-inklusiv.eu frei zugänglich. Es gibt kein Login, keine Speicherung von Klarnamen und keine Eingabe von Diagnosedaten ist erforderlich oder erwünscht.
Lehrer:innen werden angehalten, Anfragen so zu formulieren, dass einzelne Kinder nicht identifizierbar sind. Beschreibungen auf Fallniveau beziehen sich auf anonymisierte Situationen. Auf diese Weise bleibt die Belastung sensibler Daten gering, zugleich bleibt der Praxisbezug erhalten.
Abgrenzung zu allgemeinen Chatbots
- Allgemeine Chatbots wie ChatGPT arbeiten themenoffen und ohne klare Fokussierung auf die schulische Praxis. DIALOGA unterscheidet sich in mehreren Punkten:
Sprachheilpädagogische Fundierung
Die Antworten orientieren sich an Fachliteratur zu Sprachentwicklungsstörungen, Sprachförderung und inklusiver Pädagogik. - Fokus auf Schule und Unterricht
DIALOGA richtet sich explizit an Lehrer:innen sowie an Lehramtsstudierende; Fragen werden auf Unterricht, Diagnostik im Bildungsbereich und Kooperation mit Eltern bezogen.
Diese Fokussierung reduziert das Risiko unpassender Ratschläge, ersetzt aber nicht die kritische Prüfung durch die anfragende Person. Lehrer:innen bleiben eingeladen, Antworten von DIALOGA mit ihrer professionellen Erfahrung, mit schulischen Rahmenbedingungen und mit den Ressourcen der Kinder abzugleichen.
Hinweise für die Praxis
Für den Einsatz im Kollegium oder in der Lehrer:innenbildung bieten sich zum Beispiel folgende Settings an:
- Seminarphasen, in denen Studierende reale oder fiktive Fälle in DIALOGA bearbeiten und die Antworten gemeinsam bewerten,
- kollegiale Fallberatung, in der DIALOGA als zusätzlicher Impulsgeber eingesetzt wird,
- schulinterne Fortbildungen zu sprachsensibler Diagnostik und Förderung, bei denen exemplarische Anfragen an DIALOGA den Einstieg bilden.
Gerade diese gemeinschaftliche Reflexion reduziert das Risiko einer unkritischen Delegation pädagogischer Verantwortung an ein technisches System.
DIALOGA ist Forschungs- und Entwicklungsprojekt FOSSI an der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich: https://ph-ooe.at/ph-ooe/forschung/fossi

Hs.-Prof. Dr. Jörg Mußmann ist Hochschulprofessor für Inklusive Pädagogik und Sonderpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich mit dem Schwerpunkt Sprachheilpädagogik und inklusive Sprachbildung. Er entwickelt praxisnahe Konzepte und digitale Werkzeuge zur Unterstützung von Lehrerinnen und Lehrern im Umgang mit Sprachentwicklungsstörungen und Sprachförderung im Unterricht, unter anderem die Plattform www.praxis-sprache-inklusiv.eu und den Chatbot DIALOGA.