Familien-Festessen: Eine Geschichte, wie es funktionieren kann

Kons. Monika Krautgartner ist eine oberösterreichische Autorin, die mit ihren Geschichten für schmunzelnde Gesichter sorgt. Um das Warten auf das Christkind ein wenig zu verkürzen, liest unsere Redakteurin Doris Ohlenschläger die Geschichte "d’No-Go-Listn" für Sie. Eine Anregung, wie das besinnliche Weihnachtsfest im Familienkreis (nicht) ablaufen soll. Die Autorin hat uns auch erlaubt, die Geschichte in schriftlicher Form zu veröffentlichen. Sie haben also die Wahl - gehört oder gelesen, die Geschichte in oberösterreichischer Mundart ist in jedem Fall empfehlenswert!


Doris Ohlenschläger liest Monika Krautgartner


d’No-Go-Listn

Da Maria is ganz schlecht worn, wia s’ an vorigs Weihnachtn dacht hat!

Es ist ja jeds Jahr a Eiertanz, wann alle beinand san, und oft scho san a paar mit ana rotn Birn und zstrittn vom Fest der Liebe hoam ganga.

Vorigs Jahr, wia ah da Weihnachtsfriedn im Wohnzimmer net amoi bis zu de Würstl ghoin hat, hat d’Maria kurzerhand nach de Feiertag a Listn erstöllt mit olli Themen drauf, de unterm Christbam sowie in da Küch beim Würstl essn heuer neamd anschneidn derf.

Es ist trostlos, wann man sih an Haxn ausreißt, damit oiss schee gschmückt is, gnuag zum essn dahoam is, da Christbam funklt und glänzt, und dann a Streit ausbricht wegn da ehemalign deutschn Wehrmacht und de Vegetarier, de amoi an Kriag erlebm solltn, weil’s dann nimma so hoaklich wärn und essn wurtn, was am Tisch kimmt.

„Oamoi möcht ih Weihnachtn ohne Grant, Streit und in friedlicher Stimmung verbringa“, hat d’Maria auf die No-Go-Listn gschriebm, „des is woih net z’vü verlangt, bei der vüln Vorbereitungsarbeit und der Miah, de ih mir gib.“

Des habm im Prinzip olli eingsehgn, angfangt vom Opa bis zum Onkel Edi und da Tante Melinda. Ah da Maria ihre zwoa Kinder habm hoch und heilig versprochn, sie wern sih des Jahr besonders zaumreißn und wern sih net wieder vom Opa provoziern lassn, der gern a Soldatnliad singt nach dem zweitn Achterl, und sie wern sih ah net vom Onkel Edi provoziern lassn, der oiwei lautstark rülpst oder oan fahrn lasst beim Essn und dann oane von de Nichtn bezichtigt, dass sie des gwen wär. Da Maria ihre Diandln san neunzehn und vierzehn und ärgern sih jeds Moi wieder, wann er des tuat.

„Mein Gott na, er is hoit scho oit“, hat d’Maria hülflos g’antwort, wia sih ihre Diandln beim Küch zaumrama lautstark beschwert habm nach da Bescherung, und d’Rebecca, de jüngere, hat gsagt: „Und recht vü älter wird er ah net wern, wann er des noh oamoi tuat!“

Des hat natürlih Tante Melinda ghört, weil s’ grad in dem Moment de leern Glasln in d’Küch tragn hat, und hat sofort ihrn Mann verteidigt:

„Dahoam tuat er des nia! Nur bei eich! Des is da Stress, da Stress.“

Da Opa hat sih ah noh eingschalt, ah wann er’s net bös gmoant hat, aber er hat hoit unschuldig grinzat Richtung Onkel Edi hingstichelt, wia er gsagt hat, dass des früher net gebm hätt, dass sogar de Oarbeitslosn an Stress habm. Aber des hat greicht, dass Tante Melinda in Tränen ausbrochn is.

Irgendoana hat dann ah noh breamlt, dass Kinder früher a Watschn kriagt hättn, wann’s unterm Christbam frech zu de Verwandtn gwen san, und dann hat ois Krönung da Opa seine drittn Zähn, de er nachm Würstl essn putzt hat, nimma gfundn und hat da jüngern Tochter deswegn a halbs, guat zerkauts Vanillekipferl aufs Dekoltee spuckt.

„Nau? Dir wird ja doh vor dein eigenen Opa net grausn“, hat d’Oma unschuldig gfragt, wia d’Leonie „pfui Teifi“ gschrian hat, und wia dann da Onkel Edi „verwöhnte Fratzn san s’“ gsagt hat, hat sih d’Maria ah nimma zaumnehma kinna.

„Mir reicht’s! Tuat’s, was wollt’s“, hat gschriahn und d’Händ vor s’Gsicht gschlagn, „ih geh jetzt ins Bett. Des is oiso der Dank dafür, dass ih eich a scheens, friedlichs Familienweihnachtsfest bereitn woit.“

Weg war s’ und hat sih nimma anschaun lassn.

Da habm s’ olli doh recht betretn drein gschaut und sih ah recht gschämt.

Da Maria ihr No-Go-Listn is eana grad recht kemma im Jahr drauf, denn im Grunde warn s’ ja lauter liabe Leut und absichtlich wollt ah koana da Sprengmoasta vom familiären Weihnachtsfriedn sei.

Jeder hat de No-Go-Listn vierzehn Tag vor Weihnachtn mit da Post kriagt, ah mit dem Hinweis, dass so noh Zeit gnua is, dass man sih a unverfängliches Thema fürs Essn und unterm Christbam einfalln lasst, oder notfalls a Gedicht auswendig lernt fürn Heilign Abend.

„Liebe Familie“, hat s’ gschriebm, d’Maria, „Tabu-Themen am Heiligen Abend sind:

der zweite Weltkrieg

Kindererziehung

Vegetarische oder vegane Ernährung

Antiautoritäre Erziehung

Asylanten, insbesondere ihre Unterbringung und die Kosten hierfür

die ledigen Kinder der jüngeren Familienmitglieder

das Einkommen, bzw. die Höhe der Rente

der Islam

die Tofu-Würstchen von Rebecca und Lorina

das vermutete Sexleben des homosexuellen Nachbarn

die „großen Töchter“ in der Bundeshymne

Krankheiten, Hämorriden und der Wechsel,

weibliche Priester,

Nachbarschaftsprobleme und

Angela Merkel.

D’Maria is halbwegs zuversichtlich, dass heuer oiss besser wird und sih net wieder alle in d’Haar gratn.

Des is ihr natürlih ah zum Wünschn.

Ob’s wirklih dank der No-Go-Listn heuer reibungslos und ohne Streit oba geh wird unter ihrm Christbam, erfahrn wir freilich frühestens im nächstn Jahr.

Kons. Monika Krautgartner ist in Ried geboren und Mutter von zwei Kindern. Nachdem sie Zahnarzthelferin gelernt und in viele weitere Berufe reingeschnuppert hat, ist sie seit 1992 schriftstellerisch tätig. Mittlerweile hat sie zahlreiche Veröffentlichungen, Preise und Auszeichnungen. Ihr bevorzugtes Thema sind Frauenbefindlichkeiten. Die Texte verfasst sie gerne in Mundart.