Persönlichkeitsbildung wirkt

Wie kann Schule Kinder und Jugendliche stärken, nicht nur fachlich, sondern auch emotional und charakterlich? Durch Persönlichkeitsbildung! Dies ist allerdings kein Zusatzmodul, sondern ein Bildungsauftrag mit wissenschaftlicher Fundierung und gesellschaftlicher Relevanz. Das Thema wurde bei einer Pressekonferenz in Wien einer interessierten Öffentlichkeit präsentiert. 

Charakterbildung als Bildungsziel

Professor Roland Bernhard von der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich unterstrich, dass Persönlichkeitsbildung – international unter dem Begriff Character Education verankert – auf die gezielte Förderung zentraler Charakterstärken abzielt. Dankbarkeit, Selbstregulation, Empathie, Integrität oder Mut sind keine abstrakten Werte, sondern nachweislich wirksam in der Stärkung psychischer Gesundheit und der Verbesserung schulischer Leistungen.

Drei Wege der Persönlichkeitsbildung in der Schule

Bernhard beschrieb drei wesentliche Ebenen, auf denen Persönlichkeitsbildung in Schulen wirksam werden kann: erstens durch das Vorbild der Lehrpersonen und die gelebte Schulkultur, zweitens durch reflektierte Inhalte im Unterricht und drittens durch die eigenverantwortliche Entwicklung der Lernende selbst. Persönlichkeitsbildung müsse dabei systematisch, evidenzbasiert und praxisnah gedacht werden – nicht punktuell oder beliebig.

Psychische Gesundheit: Die Schule als Schutzraum

Barbara Haid, Präsidentin des Bundesverbands für Psychotherapie, zeichnete ein klares Lagebild: Immer mehr junge Menschen leiden unter Ängsten, Überforderung, Einsamkeit – vielfach ohne passende Worte dafür zu finden. Die Pandemie, gesellschaftliche Krisen und globale Unsicherheiten hätten wie ein Brennglas auf bestehende Belastungen gewirkt. Besonders erschütternd: Die Zunahme von Suizidgedanken und -versuchen unter Jugendlichen.

Beziehung als Schutzfaktor

Haid betonte, dass Schule ein Ort sein müsse, an dem sichere Beziehungen gelebt und psychische Stabilität mitgedacht wird. Sozial-emotionales Lernen sei kein „weiches Extra“, sondern eine notwendige Grundlage für jede Form von Bildung. Lehrkräfte bräuchten dafür nicht nur Haltung, sondern auch strukturelle Unterstützung – durch Schulleitungen, Bildungsdirektionen und multiprofessionelle Teams.

Persönlichkeitsbildung als Schulentwicklungsstrategie

Persönlichkeitsbildung sei keine Wohlfühlpädagogik, so Bernhard, sondern ein relevanter Bestandteil evidenzbasierter Schulentwicklung. Metaanalysen belegen positive Effekte auf das Schulklima, das Sozialverhalten und sogar auf Leistungen bei standardisierten Tests. Besonders wichtig sei die Haltung: Persönlichkeitsentwicklung lasse sich nicht „verordnen“, sondern müsse im schulischen Alltag verankert, von Vorbildern getragen und von Lernenden selbst ergriffen werden.

Beispiel aus der Praxis: Erfolgsmodell aus England

Ein konkretes Beispiel lieferte der britische Schulleiter a. D. Gary Lewis. Seine frühere Schule galt als Problemschule in herausforderndem sozialen Umfeld – durch systematische Persönlichkeitsbildung wurde sie über Jahre hinweg zu einer der bestentwickelten Schulen des Landes. Seine Botschaft: Werte, Beziehungen und konsequente Haltung können Schule transformieren – unabhängig von Standort oder Voraussetzungen.

Österreich steht am Anfang

Trotz einzelner Initiativen engagierter Lehrkräfte fehlt in Österreich bislang eine bildungspolitisch koordinierte Strategie zur Persönlichkeitsbildung. Auch empirische Grundlagen im deutschsprachigen Raum sind bislang dünn. Die Expertinnen und Experten sprachen sich deshalb deutlich für mehr Forschung, flächendeckende Programme und ideologiefreie Konzepte aus – basierend auf universell geteilten Werten wie Mut, Verantwortung, Empathie oder Selbstbeherrschung.