Vorschulkinder holen Rückstand kaum auf

“Soziale und regionale Ungleichverteilung”
Wenn der Besuch der ersten Klasse Volksschule Kinder geistig und/oder körperlich überfordert, müssen sie laut Schulpflichtgesetz die Vorschule besuchen - zum Beispiel bei Problemen mit der Aufmerksamkeit, dem Sprachverständnis, der Grob- und Feinmotorik oder der sozial-emotionalen Reife. In seiner Studie hat Mario Steiner vom IHS aber eine "hochgradige soziale und regionale Ungleichverteilung des Vorschulbesuchs" festgestellt. Für seinen Beitrag, der in der "Österreichischen Zeitschrift für Soziologie" publiziert worden ist, hat Steiner einerseits die Entwicklung der Schuleintrittskohorte von 2006/07 (rund 83.500 Kinder) bis zu ihrem 13. Lebensjahr nachgezeichnet und andererseits mit Zahlen aus dem Jahr 2022/23 verglichen.
Bis zu einem Viertel in Vorschule
Die Anzahl der Vorschulkinder hat sich in diesem Zeitraum von 7,2 Prozent auf 10,9 Prozent erhöht - davon 55 Prozent in einer separaten Vorschulklasse, 45 Prozent integriert in regluären Volksschulklassen. Dabei zeigen sich große Unterschiede zwischen den Bundesländern: Die Spanne reicht im Jahr 2022/23 von 0,5 Prozent in der Steiermark bis 25,8 Prozent in Salzburg.
Sozialer Hintergrund entscheiden
Auch der soziale Hintergrund spielt eine große Rolle: So besuchen nur fünf Prozent der Kinder, deren Eltern einen Hochschulabschluss haben, die Vorschule im Vergleich zu 18 Prozent, deren Eltern nur die Pflichschule abgeschlossen haben. Ein Migrationshintergrund erhöht die Wahrscheinlichkeit, die Vorschule besuchen zu müssen, um mehr als die Hälfte.
Vorschulkinder können kaum aufholen
Erschwerend kommt laut Steiner hinzu: Der Vorschulbesuch und eine weniger erfolgreiche Bildungslaufbahn hängen zusammen, selbst wenn Faktoren wie Bildung der Eltern, Migrationshintergrund oder soziale Durchmischung der später besuchten Schule herausgerechnet werden. So haben die ehemaligen Vorschüler*innen später deutlich öfter höchstens einen Pflichtschulabschluss und seltener die Matura - unabhängig davon, ob sie das Jahr in einer separaten Vorschulklasse oder integrativ in einer ersten Klasse Volksschule nach dem Vorschullehrplan unterrichtet wurden. Steiner räumt ein, dass schlechtere Bildungsergebnisse "bis zu einem gewissen Grad auch zu erwarten" seien, dennoch schließt er, dass “die Vorschule in ihrer aktuellen Verfassung ihre Zielsetzungen nicht so weit erfüllen kann, dass allfällige Entwicklungsrückstände ausreichend ausgeglichen werden können”.
“Heterogenität als Normalität”
Steiner spricht sich für eine Reform der Schuleingangsphase aus und präsentiert die Schweiz mit ihrem Konzept der Basisstufe sowie Deutschland mit seinem FLEX-Modell als Vorbilder. “In beiden Fällen wird die Heterogenität der Kinder beim Schuleintritt als Normalität anerkannt, der es mit Flexibilität zu begegnen gilt, anstatt Schulreife abzutesten und ein Tracking bei Sechsjährigen vorzunehmen.”