Expertenwissen

Ist Sparen heute überhaupt noch sinnvoll?

Im Jahr 2022 sind wir mit einem Phänomen konfrontiert, das viele nur noch aus Geschichtsbüchern oder anderen Ländern kennen: Inflation. Die Teuerungen in vielen Bereichen machen den Menschen große Sorgen, sich die alltäglichen Ausgaben noch leisten zu können. Und gleichzeitig stellt sich die Frage: Zahlt sich Sparen überhaupt noch aus? Wir haben Thorsten Rathner (Leiter des Instituts für Finanzkompetenz der Schuldnerhilfe OÖ) gebeten, anlässlich des Weltspartags ein wenig "Licht" ins Dunkel zu bringen und sich dem Thema für die Auseinandersetzung mit Schülerinnen und Schülern ab der Sekundarstufe I zu nähern. Unterrichtsmaterialien von der VS bis zur 11. Schulstufe inklusive!

Junger Mann mit einem 100 € Schein in der Hand

Um eine Antwort auf Frage "Ist Sparen überhaupt noch sinnvoll?" zu bekommen, muss man zuallererst klären, wovon man spricht, wenn man von Sparen redet. Denn einerseits kann es dabei um das Ansparen von Geld aus unterschiedlichen Beweggründen gehen. Andererseits kann damit auch Einsparen gemeint sein – also das reduzieren von Ausgaben, um die persönlichen Geldmittel besser und zielgerichteter einzusetzen oder Kosten zu reduzieren. 

Geldüberblick

Für beide Formen des Sparens braucht es eine Entscheidungsgrundlage – nämlich den Überblick über die individuelle finanzielle Situation. Dabei hilft eine Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben eines Monats, um die gegenwärtige Situation möglichst gut abzubilden. Um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erhalten, ist eine genauere Auseinandersetzung mit den Haushaltsfinanzen von Vorteil. Denn je genauer das Ergebnis ist, desto klarer treten die bestehenden Handlungsspielräume und die Einsparmöglichkeiten hervor. Das Ergebnis dieser Einnahmen/Ausgaben-Rechnung bzw. das Bewusstsein über die persönliche Finanzsituation ist die Grundlage für alle weiteren Entscheidungen. Denn nur, wenn ich über meine Finanzen Bescheid weiß, kann ich auch Entscheidungen treffen, die sich mit meinen Möglichkeiten decken. 

Einsparpotenziale erkennen und nutzen

In Zeiten von Teuerungen und Klimakrise dreht sich vieles um das Thema Einsparen. Ziel ist dabei, den bisherigen Konsum und die bisherigen Ausgaben einzuschränken (z.B. Energie sparen, Müll reduzieren, Einsparen von Autofahrten und Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel oder die Haushaltskosten senken). In diesem Fall steht der Gedanke im Vordergrund, Ressourcen effizienter zu nutzen. Das kann auch andere als wirtschaftliche Gründe haben, z.B. im Hinblick auf Klimakrise und Umweltschutz. Für viele Menschen ist es aber in ihrer jeweiligen Situation die einzige Möglichkeit, Spielräume zu schaffen, die aufgrund von Teuerungen immer geringer werden. Umso wichtiger ist es hier mithilfe des entsprechenden Überblicks solche Einsparungspotenziale zu erkennen und diese mit den geeigneten Maßnahmen zu nutzen. 

Sparen

Sparen im Sinne von Ansparen bedeutet, dass man einen Teil des Einkommens zur Seite legt, um Geld für zukünftige Ausgaben zu haben. Dabei lassen sich im Wesentlichen drei Kategorien des Sparens unterscheiden: 

Bei größeren Ausgaben und Anschaffungen, wie z.B. einem Auto, neuen Möbeln, einem Urlaub etc., ist es notwendig, über einen längeren Zeitraum frei verfügbares Geld anzusparen. Wer vorausschauend plant, kann sich so Wünsche ohne Schulden erfüllen. Auch zur Finanzierung von laufenden Kosten, die z.B. jährlich abgerechnet werden, wie Betriebskosten oder Versicherungsprämien, ist es zielführend, regelmäßig und rechtzeitig Geld zur Seite zu legen. 

Vorsorgesparen ist sinnvoll, um Geld für Notsituationen, fürs Alter und z.B. für die Aus- und Weiterbildung von Kindern zur Verfügung zu haben. Um unvorhergesehenen Ausgaben entgegenwirken zu können, ist es empfehlenswert, ein finanzielles Polster in der Höhe von zwei bis drei Monatsgehältern anzusparen. Aus diesem Depot können beispielsweise Reparaturen, eine plötzliche Neuanschaffung einer Waschmaschine, Wahlarztrechnungen, Strafen etc. beglichen und Phasen der Einkommensverschlechterung (z.B. Arbeitslosigkeit) überbrückt werden.

​​​​​Neben zweckorientierten Sparmotivationen kann durch das Ansparen der Grundstock für die Vermögensbildung gelegt werden. Wichtig ist hier zu wissen, dass mit den Gewinnchancen auch die Risiken für den Verlust des eingesetzten Kapitals steigen. Wichtiger Grundsatz Es hat keinen Sinn, mit dem Ansparen von Vermögen zu beginnen, wenn die Grundbedürfnisse nicht befriedigt werden können, vorhandene Schulden nicht abgebaut werden und keine Ersparnisse für Notfälle vorhanden sind.

Sparen trotz geringer Sparzinsen und Inflation?

Klassische Sparprodukte sind seit einigen Jahren aufgrund der sehr niedrigen Sparzinsen der Kritik ausgesetzt, kaum Ertrag zu erzielen. Bei einer gleichzeitig wirkenden Teuerung über dem Niveau der Sparzinsen kommt es sogar zu einem Kaufkraftverlust. Mit klassischen Sparprodukten sind Spareinlagen wie Sparbücher oder Bausparverträge gemeint. Zu den Anlageprodukten hingegen gehören Aktien, Anleihen oder Fonds. Hier besteht zwar eine größere Ertragschance, das Verlustrisiko ist aber ebenso höher. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, in Krypto-Assets wie Bitcoin zu investieren, wobei diese in erster Linie als Spekulationsobjekte eingestuft werden. 

Das gesamte Einkommen auszugeben und damit weder für die eigenen Ziele anzusparen noch für unerwartete Ausgaben vorzusorgen, ist trotz niedriger Sparzinsen nicht ratsam. Auch wenn die Ersparnisse durch die Verzinsung nicht merklich zunehmen, so befinden sich bei einer regelmäßigen monatlichen Einzahlung von beispielsweise hundert Euro nach zwölf Monaten auch bei einer null-prozentigen Verzinsung 1.200 Euro auf einem Sparbuch. Zu berücksichtigen ist hier zwar ein Kaufkraftverlust aufgrund der Inflation, es bleibt aber dennoch ein Betrag für unvorhergesehene Vorhaben. Sollte der monatliche Sparbetrag hingegen null Euro sein, so ist gar kein Geld auf dem Sparbuch.

Geldanlage

Neben klassischen Sparprodukten bieten Anlageprodukte eine Möglichkeit, die eigenen Ersparnisse möglichst ertragssteigernd zu investieren. Wichtig ist hierbei zu bedenken, dass es sich z.B. beim „Fondssparen“ nicht um eine herkömmliche Sparform mit einem Sicherheitsnetz wie der Einlagensicherung handelt, sondern ein Investment mit einer Ertragschance, aber auch dem Risiko eines Verlustes. Dem Investment vorausgehen sollte immer die Schaffung eines finanziellen Polsters für unvorhergesehene Ausgaben. Zwei bis drei Netto-Monatsgehälter sollten hier in täglich fälligen Einlagen (z.B. auf dem Sparbuch) zur Verfügung stehen. Das erweist sich vor allem dann als wichtig, um bei unerwarteten Ausgaben und gleichzeitig negativer Kursentwicklung des Fonds nicht mit einem Verlust verkaufen zu müssen.

Häufig wird kritisiert, dass die Menschen in Österreich besonders konservativ sind, wenn es um das eigene Geld geht und für Sicherheit gerne auf Rendite verzichten. Doch bei aller Kritik sollte man nicht übersehen, dass man sich Geldanlage erst einmal leisten können muss: Etwa ein Drittel der Haushalte in Österreich ist monatlich gar nicht in der Lage, überhaupt etwas von seinem Einkommen zu sparen. Hier wird das gesamte Einkommen umgesetzt und es besteht nicht einmal die Möglichkeit, sich eine finanzielle Notreserve anzusparen. Fast 80 % aller Haushalte bringen maximal eine Sparquote von 20 % ihres Einkommens zusammen.  Es ist fraglich, ob hier genügend Spielraum für längerfristige Geldanlagen vorhanden ist und ein gewisses Maß an Risiko überhaupt wirtschaftlich vertretbar ist. 

Ob die Geldanlage am Kapitalmarkt sinnvoll ist, hängt von der individuellen Situation ab. Man kann aber etwa nach der folgenden Reihenfolge vorgehen: 

Bevor über Sparen oder Geldanlage geredet werden kann, muss zuerst dafür gesorgt sein, dass die wesentlichen Lebensbereiche ausreichend finanziert sind. Die monatliche Miete, Kosten für Energie und Lebensmittel, Gesundheit, Schule und Kleidung … All das und noch viel mehr muss zuerst gesichert sein. 

Das Begleichen von Schulden und der Ausgleich eines bestehenden Kontominus haben auf jeden Fall Priorität vor dem Sparen. Denn im Verhältnis zu den Erträgen, die durch das Sparen erreicht werden können schlagen sich die Kosten für Zinsen und Betreibungskosten wesentlich stärker nieder. Darüber hinaus können ungeregelte Schulden weitere unangenehme Folgen nach sich ziehen. 

Damit ist das Sparen für Notfälle gemeint. Zwei bis drei Monatseinkommen sollte man hierfür stets verfügbar haben, um überraschende Ausgaben oder Phasen von geringerem Einkommen durch z.B. Arbeitslosigkeit abfedern zu können. Preissteigerungen aufgrund der Inflation wirken sich hier relativ wenig aus.

Bei mittel- und längerfristigen Sparformen sollte man den Wertverlust der angesparten Summen im Auge behalten. Schon bei einer jährlichen Inflation von 2 % würde eine über 20 Jahre angesparte Summe nur mehr ein Drittel des ursprünglichen Wertes haben. Noch stärker wird dieser Effekt, wenn über einen längeren Zeitraum eine Geldentwertung wie aktuell stattfindet. 

Als letzte Stufe ist natürlich die Geldanlage in Form von Aktien, Anleihen, Fonds usw. denkbar. Dabei muss aber immer bedacht werden, dass diese mit einem entsprechenden Risiko verbunden sind. Verluste muss man sich leisten und aushalten können. 

Entscheidet man sich dafür in Anlageprodukte zu investieren, ist eine genaue Auseinandersetzung mit der Thematik ratsam und man sollte sich über folgende Fragen im Klaren sein: 

  • Wie viel Geld möchte ich investieren? 
  • Welches Risiko bin ich bereit einzugehen bzw. kann ich mir leisten?
  • Was ist mein primäres Ziel? Möchte ich den größtmöglichen Ertrag erwirtschaften oder ist mir auch wichtig, wofür mein Geld verwendet wird oder dass ich konkrete Unternehmen, Projekte oder Ziele mit meinem finanziellen Beitrag unterstütze (Stichwort: green finance, sustainable finance)? Unter Umständen gibt es auch Bereiche, in die ich auf keinen Fall investieren möchte (z.B. Waffenproduktion). 
  • Wie lange kann ich auf das Geld verzichten? Wie langfristig soll die Investition sein? 
  • Wofür möchte ich das Geld später verwenden?

Schutzmechanismen

Im Zuge der sich ab dem Jahr 2007 verdichtenden Krise der Finanzwirtschaft wurden die Risiken verschiedener Formen der Vermögensanlage stärker thematisiert. Damit wurde auch den Schutzmechanismen für Anleger:innen mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Einige davon seien hier genannt: 

Sparprodukte bieten die höchste Sicherheit aller Anlageformen. Aufgrund der staatlichen Einlagensicherung sind Einlagen und Guthaben privater Sparer:innen pro Person und pro Kreditinstitut mit € 100.000,00 gesichert.

Um einen Wildwuchs im Bereich des Wertpapierhandels zu verhindern, gibt es staatliche Konzessionen und Gewerbebestimmungen. So braucht es für den Betrieb einer Bank oder eines Wertpapierunternehmens eine Konzessionierung durch die staatliche Finanzmarktaufsicht. Bei den Gewerbebestimmungen wurde z.B. durch ein Bundesgesetz das reglementierte Gewerbe des Wertpapiervermittlers geschaffen.

Für den Verkauf von Wertpapieren und Versicherungen gibt es Beratungs- und Aufklärungspflichten für die Vermittler:innen. Sie sind verpflichtet, beim Erstgespräch ein umfangreiches Profil des Anlegers bzw. der Anlegerin zu erstellen und dieses in einem Protokoll festzuhalten.

Fazit

Alles in allem lässt sich sagen, dass Sparen auch in Zeiten von Teuerungen und Inflation nach wie vor sinnvoll ist. Nicht zuletzt als Sicherungsmaßnahme für unvorhergesehene Ausgaben und zur Vermeidung von Konsumschulden. Das Angebot an Spar- und Anlageprodukten ist heute wesentlich größer als noch vor einigen Jahren. Wichtig ist daher genau zu wissen, was in der jeweiligen Situation passt und den persönlichen Bedürfnissen am besten entspricht. Denn im Endeffekt geht es darum, das eigene Geld so einzusetzen, dass man den größtmöglichen Nutzen daraus ziehen kann. 

Unterrichtsmaterialien: Geldüberblick, Sparen und Finanzmarkt

 

Mag. Thorsten Rathner
​​​​​​​Stv. Geschäftsführer der SCHULDNERHILFE OÖ​​​​​​​, Leiter Institut Finanzkompetenz (Fachabteilung der SCHULDNERHILFE OÖ für Finanzbildung und Überschuldungsprävention). Ist seit über 15 Jahren bei der SCHULDNERHILFE OÖ in der Finanzbildung und Überschuldungsprävention tätig und hält jedes Jahr zahlreiche Vorträge, Workshops und Seminare für Jugendliche und (junge) Erwachsene rund um das Thema Umgang mit Geld und Schulden. Darüber hinaus auch Workshops zum Thema „Taschengeld“ für Eltern und Infoveranstaltungen für Multiplikator:innen.