Welche Menschen braucht die Zukunft?

In den Schulen unterrichten wir nicht nur Fächer, wir prägen die Menschen der Zukunft. Freilich, am Anfang ist die Familie. Hier werden die wesentlichen sozial-emotionalen Grundlagen gelegt. Doch gleich danach kommt die Schule.

Schüler mit Brille und gelbem Notizzettel mit Fragezeichen darauf auf der Stirn

Zwischen dem sechsten und dem achtzehnten Lebensjahr verbringen die Kinder und Jugendlichen einen Großteil ihrer wachen Zeit in dieser Institution. Und die jungen Menschen, die heute an unseren Schulen sind, werden morgen die Verantwortung in unserer Gesellschaft tragen. Was wollen / sollen / müssen wir ihnen auf diesem Weg mitgeben: als Eltern, als Pädagoginnen und Pädagogen, als Gesellschaft? Was sollen junge Menschen am Beginn des Erwachsenseins wissen, erfahren, gelernt, erlebt haben? Wovon sollen sie zumindest eine Ahnung haben?

Ein Team von Betreuungslehrerinnen und -lehrern hat diese Fragen verschiedenen Menschen gestellt: von der Bestatterin bis zum Studenten, von der Sozialarbeiterin bis zum Persönlichkeitstrainer, von der Biobäuerin bis zur Kassiererin im Supermarkt. Mit den so gewonnenen Aussagen haben wir uns im Rahmen unserer Fortbildung auseinandergesetzt, sie um unsere eigenen Sichtweisen ergänzt und in  Bereiche zusammengefasst, die sich teilweise überschneiden. Im Folgenden die Zusammenfassung:

Welche Menschen braucht die Zukunft?

Was sollen junge Menschen am Beginn des Erwachsenseins wissen, erfahren, gelernt, erlebt haben? Wovon sollen sie zumindest eine Ahnung haben?

Beziehung zu sich selbst

  • Sich selbst spüren: was tut mir gut? Körperbewusstsein, Bewusstsein für die eigene Gesundheit, achtsam sein.
  • Sich selbst mögen (Selbstliebe) und aus dem heraus mutig, wissbegierig, kooperationsfähig und teamfähig sein.
  • Sich als kraftvoll erleben, Selbstwirksamkeit (er)leben. Meine Haltung macht mich aus.
  • Lebensfreude als Voraussetzung, um die eigenen Ressourcen und Qualitäten im Wechselspiel mit den Anforderungen der Welt zu erkennen und dadurch für sich selbst und die Gesellschaft fruchtbar zu sein
  • Mit Stress umgehen können, z. B. Meditation
  • Fähigkeit zur Selbstreflexion: Die eigenen Anteile erkennen.

Beziehung zu Mitmenschen:

  • Vertrauen, dass es die Menschen mit mir gut meinen: da ist wer, der/die gibt mir Sicherheit, was immer auch ist.
  • Ein (intaktes) Familienleben erlebt haben.
  • Vertrauen in der Peergroup erlebt haben.
  • Mitgefühl entwickelt haben.
  • Erfahren haben, Teil einer sozialen Gruppe (Verein, Jungschar,…) zu sein, was möglich ist, wenn man gemeinsam an etwas arbeitet.
  • Zu eigenen Werten stehen: eine eigene Meinung bilden, auch Nein-sagen und sich durchsetzen können.
  • Konflikte in guter Weise zu bewältigen, konstruktiv und fair, ohne dass es Verlierer gibt
  • Erlebt haben: Versöhnung nach einem Streit ist möglich
  • Kategorischer Imperativ: Das, was ich nicht will, tue ich auch keinem anderen an.

   Bildung/Fertigkeiten:

  • Humanistische Grundbildung.
  • Sicheres Fundament in den Kulturtechniken, damit sie selbstsicher sein können und selbst entscheiden, ob etwas richtig oder falsch ist.
  • Pflichtschulwissen gelernt und Prüfungen erlebt haben.
  • Allgemeinwissen: Basiskenntnisse in Geschichte, Geografie, Soziales, Politik, Ethik, Kopfrechnen.
  • Rechnen, so dass sie ihr tägliches Leben gut im Griff haben;
  • Deutsch – Rechtschreiben und Grammatik (damit Schriftstücke nicht peinlich anmuten) und sich in einer angemessenen Umgangssprache frei unterhalten können.
  • Sprachen können, für Kontakte mit Menschen aus anderen Ländern
  • Lebenspraktische Grundkenntnisse und handwerkliche Grundfertigkeiten: ein Bett selbst bauen können, wichtige Werkzeuge kennen, im Haushalt arbeiten (Wäsche waschen, kochen ...), mit technischen Anforderungen umgehen können (Reifen wechseln, Batterie wechseln, Öl checken, Glühbirnen tauschen,...).
  • Angemessene Höflichkeitsformen (grüßen, bedanken, ersuchen, …)
  • Medienkompetenz, Grundkennnisse im digitalen Bereich. Computerbedienung. Anwendung.
  • Den Umgang mit Geld und seinen Wert erkennen - schon einmal gearbeitet haben, um zu wissen wie es ist, eigenes Geld zu verdienen um es dann auch später wertzuschätzen können.
  • Die Sinnhaftigkeit einer fertigen Ausbildung erkennen.

    Beziehung zu Natur / Umwelt:

  • Die Kraft gebenden Eigenschaften der Natur gefühlt/erlebt haben.
  • Sich in der Natur gut aufgehoben fühlen, Natur als Erholungsort erleben
  • Auf einen Berg gegangen sein.
  • Reisen: In ein paar anderen Ländern gewesen sein, in einem Land, in dem man die Sprache nicht versteht, das Meer gesehen haben, auf sich selbst gestellt sein.
  • Respekt vor der Natur - Umweltbewusstsein: wie kann man die Lebensgrundlagen erhalten.
  • Wissen: Wann ist Frühling, Sommer, Herbst, Winter.
  • Verschiedene Freizeitangebote probiert haben (Sport, Musik, Soziales wie Rettung, Feuerwehr, Altenhilfe).
  • Tiere in ihrer Verschiedenartigkeit erlebt haben.

  Arbeitseinstellung

  • Engagement entwickeln für das, was ihm/ihr wichtig ist.
  • Selbständig lebensfähige, entscheidungsfähige, gesellschaftskritische, zielstrebig-aktive Menschen.
  • Eine Ahnung bekommen, wo die Talente stecken, in welche Richtung sie gehen wollen, wofür sie „brennen“…
  • Offen sein für verschiedene Ausbildungsmöglichkeiten.
  • Mutige Teamworker, die über den Tellerrand hinausschauen.
  • Flexibel sein, aber auch eine gute Bodenhaftung haben, denn ohne intrinsische Motivation im Leben geht nichts! Ein erfolgreiches Leben ohne Förderung und Forderung gibt es nicht.
  • „clever und smart“: in der Lage sein, Wissen zu verknüpfen (clever) und entsprechend kommunikativ anzuwenden (smart).
  • Eine Ahnung davon haben, dass das Leben schwierige Aufgaben an eine Person stellen kann und diese trotzdem mit der nötigen Zuversicht und Ausdauer gelöst werden können.
  • Am Scheitern nicht verzweifeln: auch Umwege führen zum Ziel und eröffnen manchmal neue Aspekte.
  • Wissen, wo man nachschauen kann, wenn man etwas nicht kennt/weiß.
  • Mut zur Intuition und die Kraft, daraus zu handeln.

  Politik

  • Nicht nur im eigenen Umfeld bewegen, sondern auch andere gesellschaftliche und politische Kreise kennen lernen.
  • Demokratiepolitisches Wissen: welche Parteien gibt es – und wofür stehen sie?
  • Die Fähigkeit zu hinterfragen. Nachrichten filtern. Welche Quellen der Information sind seriös?
  • Gesellschaftliche und weltpolitische Zusammenhänge, ihre Strukturen und Probleme erkennen und daraus Schlüsse zum eigenen Verhalten ziehen.
  • Verstehen, dass es Frieden nur gibt, wenn es möglichst allen halbwegs gut geht.
  • Den Sinn der Demokratie erkennen und dass es notwendig ist, daran zu arbeiten: das demokratische System auch zu hinterfragen, zu verbessern und nicht den Wunsch nach einem Führer zu verspüren aus Angst vor einer ungewissen Zukunft.
  • Begreifen, dass der Nationalismus zur schlimmsten geschichtlichen Katastrophe im vorigen Jahrhundert geführt hat.
  • Erleben: Ich bin ein Teil des Ganzen - in der sozialen Gruppe bis zur Weltgemeinschaft. Ich gehöre dazu und trage Verantwortung.

Diese zusammengefassten Ergebnisse sind keine wissenschaftlich fundierten oder repräsentativen Erkenntnisse - das war auch gar nicht unsere Absicht. Sie sind eine Ansammlung spontaner Aussagen von Menschen in verschiedenen Lebens- und Arbeitsbereichen, die zum Nachdenken anregen und Impulse geben sollen: für Eltern und PädagogInnen, aber auch darüber hinaus für Menschen, die Kinder und Jugendliche begleiten - letztlich für die gesamte Gesellschaft.
Denn wir werden vielleicht alle zustimmen, dass junge Menschen Lebensfreude, Körperbewusstsein oder eine humanistische Grundbildung haben sollten. Doch was hat das für Auswirkungen auf unsere alltägliche Arbeit an den Schulen? Und was hat das für Auswirkungen auf gesellschaftliche Rahmenbedingungen?

Was von den Aussagen ist Ihnen wichtig? Vielleicht sind das noch andere Bereiche. Diskutieren Sie mit Ihren Kolleginnen und Kollegen und mit Menschen außerhalb der Schule! Wir würden uns freuen über spannende Rückmeldungen! (Sie können dies gerne per e-Mail an redaktion(at)edugroup.at​​​​​​​ tun.)

Mag. Andrea Froschauer-Rumpl - Psychologin, Pädagogin, arbeitet seit vielen Jahren als Betreuungslehrerin. War 9 Jahre im Koordinationsteam der OÖ BetreuungslehrerInnen.