Rituale, Rückhalt, Rückkehr

Inverview mit Bettina Galli-Magerl
Bettina Galli-Magerl vom Kriseninterventionsteam des Roten Kreuzes Steiermark erklärt im Gespräch mit schule.at, wie Betroffene mit solch tiefgreifenden Ereignissen umgehen können – und was die Schule jetzt am dringendsten braucht, um langsam wieder nach vorne zu blicken.
Rituale als Brücke zur Trauerverarbeitung
Gemeinsame Trauerbekundungen und Rituale sind laut Galli-Magerl ein wesentlicher Schritt, um das Geschehene überhaupt annehmen zu können. Veranstaltungen wie Gedenkfeiern oder symbolische Gesten helfen Betroffenen, ihre Trauer auszudrücken und damit zu beginnen, das Unfassbare ein Stück weit zu begreifen. Jeder Mensch finde dabei seinen eigenen Zugang – wichtig sei, dass der Raum dafür gegeben werde.
Rückkehr zur Schule braucht Zeit
Eine Rückkehr in den Schulalltag dürfe keinesfalls überstürzt erfolgen. Die Schule müsse vorübergehend geschlossen bleiben, um Distanz zum Tatort zu ermöglichen. Beim Wiedereinstieg sei ein reduzierter Stundenplan ebenso hilfreich wie das Angebot von Rückzugsräumen, Pausen innerhalb des Unterrichts und einer temporären Gedenkstätte im Schulgebäude. Für Schülerinnen und Schüler wie auch für Lehrkräfte gelte gleichermaßen: Es braucht Zeit, Raum und Verständnis, um schrittweise wieder Vertrauen in den Ort Schule zu gewinnen.
Unterstützung für Lehrkräfte besonders wichtig
Lehrpersonen befinden sich oft in einer Doppelrolle: Sie sind selbst betroffen und zugleich verantwortlich für ihre Klassen. Umso wichtiger sei laut Galli-Magerl die gezielte Unterstützung und Stärkung des pädagogischen Personals – etwa durch schulpsychologische Beratung, Coaching oder externe Krisenteams. Es sei kein Zeichen von Schwäche, sich Hilfe zu holen, sondern vielmehr Ausdruck von Verantwortung gegenüber sich selbst und den Schülern.
Ressourcen erkennen und nutzen
Der Weg zurück in einen stabilen Alltag führt auch über persönliche Ressourcen. Viele Menschen hätten in früheren Krisen bereits individuelle Strategien entwickelt, auf die sie nun zurückgreifen können – sei es Musik, Gespräche mit vertrauten Personen oder Bewegung. Wichtig sei, wieder auf die eigenen Bedürfnisse zu hören, Routinen zu finden und sich bewusst Zeit für Stabilisierung zu nehmen.
Ereignisse integrieren – nicht verdrängen
Letztlich gehe es darum, das Erlebte zu „integrieren“ – wie Galli-Magerl es formuliert. Eine vollständige Verarbeitung brauche Zeit und verlaufe individuell unterschiedlich. Ziel sei nicht, zu vergessen, sondern das Erlebte als Teil der eigenen Geschichte anzunehmen. Professionelle Hilfe könne dabei ein wichtiger Begleiter sein – manchmal genügen schon wenige Gespräche, um wieder Boden unter den Füßen zu gewinnen.