Wiederkehr will Lehrkräfte notfalls zur Sommerschule verpflichten

Eineinhalb Wochen vor dem neuen Schuljahr, das in Österreich mit 1. September startet, meldet sich Bildungsminister Wiederkehr im APA-Sommerinterview zu Wort.  Wie auch bereits Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger am Montagabend im ORF-Sommergespräch angekündigt hat, soll ab nächstem Jahr die Sommerschule für Kinder mit Deutschproblemen Pflicht werden. Das derzeit freiwillige Angebot haben nur 17 Prozent der rund 49.000 außerordentlichen Schüler:innen genutzt, nächstes Jahr könnte sich die Zahl der Sommerschul-Teilnehmer dadurch laut Bildungsressort auf über 70.000 fast verdoppeln. Um sicherzustellen, dass es trotzdem genug Personal gibt, will Minister Christoph Wiederkehr (NEOS) Lehrer:innen notfalls verpflichten.

Rückansicht eines Lehrers, der in der Klasse steht
Die Schülerzahl in der Sommerschule dürfte sich 2026 verdoppeln

Er sei zuversichtlich, dass sich auch für das neue Modell der Sommerschule genug Lehrkräfte freiwillig melden werden, weil das Angebot attraktiv sei, so Wiederkehr. Wer in der Sommerschule unterrichtet, bekommt laut aktueller Regelung entweder rund 60 Euro pro Stunde oder muss im kommenden Schuljahr eine Stunde weniger unterrichten. Derzeit gebe es mehr Bewerbungen von Lehrer:innen als Plätze, betonte der Minister. "Wenn sich nicht genug melden, soll es aber aus meiner Sicht auch die Möglichkeit geben, Lehrkräfte zu verpflichten. Denn für mich gilt, dass die Kinder ein Recht haben, dass sie eine Förderung im Sommer bekommen." Wiederkehr denkt dabei vor allem an Lehrer:innen, die Erfahrung im Unterricht von außerordentlichen Schüler:innen in den Deutschförderklassen bzw. -kursen haben.

80 Prozent weniger Rundschreiben und Erlässe

Bereits fix ist, dass die Schulen mit Schulbeginn wie angekündigt 80 Prozent weniger Rundschreiben und Regelungserlässe aus dem Ministerium bekommen werden. Man müsse selbstverständlich Qualität und Ergebnisse kontrollieren, "das geht aber auch mit weniger Regelungen", so Wiederkehr. Das Blättern in Erlässen sei nicht mehr zeitgemäß. Stattdessen sollen die Schulen die Regelungen unkompliziert nachlesen können, wenn sie sie brauchen. Noch im Herbst sollen außerdem die ersten Maßnahmen zur Entbürokratisierung aus dem Projekt "Freiraum Schule" umgesetzt werden. Lehrer:innen, Schulleitungen und Expert:innen der Pädagogischen Hochschulen und Verwaltungspersonal hatten dafür im Juni 19.000 Vorschläge eingebracht, derzeit werden sie von Experten auf ihre Umsetzbarkeit geprüft.

Zahl der Studierenden in Klassen soll schrittweise zurückgefahren werden

Die Personalsituation für das neue Schuljahr sieht Wiederkehr im Vergleich zu den vergangenen Jahren "etwas entspannt". In einzelnen Bereichen gebe es regional weiter einen Lehrermangel, etwa in einigen Fächern an den Mittelschulen bzw. an den Volksschulen. Die Bewerbungslage sei mit einem Plus von 17 Prozent aber deutlich besser als zuletzt. "Das ist ein gutes Zeichen, nämlich dass es attraktiv ist, als Lehrkraft zu arbeiten", so Wiederkehr. Er hob auch das große Interesse am Quereinsteiger-Modell hervor, diesmal haben sich auch 2.000 Quereinsteiger um eine Stelle beworben. Schrittweise zurückfahren will Wiederkehr hingegen die Zahl der Studierenden, die schon sehr früh in ihrer Ausbildung bis zu 20 Stunden in der Klasse stehen.

Orientierungsklassen "eher die Ausnahme"

"Eher die Ausnahme" werden laut Wiederkehr im Herbst die bundesweit neu ermöglichten Orientierungsklassen für Kinder und Jugendliche, die ohne Bildungserfahrung nach Österreich kommen und dort auf den Einstieg in das heimische Schulsystem vorbereitet werden sollen. "Aktuell ist der Druck durch Migration zum Glück nicht so hoch." Wegen des Aussetzens des Familiennachzugs seit Juli gelangen derzeit unter diesem Titel nur noch Härtefälle nach Österreich, dazu kommen andere Zuwandererkinder ohne schulische Vorerfahrung. Wiederkehr geht davon aus, dass es zumindest in Ballungsgebieten mit Herbst Orientierungsklassen geben werde. Durch das Gesetz sei man jedenfalls vorbereitet für Zeiten, in denen wieder mehr Kinder ohne schulische Vorerfahrung zuwandern.

“Suspendierte Schüler:innen dürfen nicht im Einkaufszentrum abhängen”

Einen "großen Effekt" erwartet sich Wiederkehr hingegen schon jetzt von der verpflichtenden Suspendierungsbegleitung ab Februar 2026. Schüler:innen, die mehrfach wegen Gewalt, Drohungen oder Sachbeschädigung in der Schule auffallen, können bis zu vier Wochen suspendiert werden. Künftig werden sie an ausgewählten Schulstandorten zehn bis 20 Stunden pädagogisch und psychologisch betreut. "Es gibt dann eine Konsequenz, eine Sanktion, sodass man nicht, wenn man suspendiert wird, im Einkaufszentrum abhängen darf." Dieser Abbruch des Alltags sei wichtig, damit die Kinder und Jugendlichen ihr Verhalten reflektieren. Klar sei aber, dass es zusätzlich Präventionsarbeit brauche. Deshalb werde das Angebot der Schulpsychologie verdoppelt und die Schulsozialarbeit ausgebaut. Gleichzeitig mit der Suspendierungsbegleitung sollen die bereits angekündigten Verwaltungsstrafen für Eltern eingeführt werden, die nach problematischem Verhalten ihrer Kinder nicht mit der Schule zusammenarbeiten wollen.

Bildungsbudget gesichert

Das Bildungsbudget sieht Wiederkehr trotz der angespannten Wirtschaftslage gesichert - selbst wenn die Bundesregierung bei ihrem für 2025 und 2026 geschnürten milliardenschweren Sparpaket wegen der hohen Inflation und schlechten Wirtschaftslage noch einmal nachbessern müssen sollte. Es sei vereinbart, dass die Budgets der Ressorts halten werden, inklusive der Investitionen in die Bildung. Der Einsparungsbeitrag der Ressorts sei mit 1,1 Mrd. Euro ohnehin "gewaltig", so der Minister. Sollte es zusätzliche Maßnahmen brauchen, um das Budgetdefizit wieder unter die erlaubte Grenze von drei Prozent zu bringen, werde man sich aus Wiederkehrs Sicht etwa die Abschlüsse im öffentlichen Dienst und die Ausgaben für die Pensionen anschauen müssen.

Quelle: APA/Science