Bildungsminister Wiederkehr im Austausch
Schulautonomie und Mut zur Lücke
Wiederkehr betonte, dass Schulen mehr Eigenständigkeit brauchen. Lehrpläne sollten nicht als starres Regelwerk verstanden werden, sondern als Orientierung. Lehrkräfte müssten die Freiheit haben, Schwerpunkte zu setzen und fächerübergreifend zu arbeiten. Auch innovative Konzepte wie die Zusammenführung von Mathematik, Physik und Chemie zu einem gemeinsamen Naturwissenschaftsunterricht seien denkbar.
Entrümpelung der Lehrpläne
Besonderes Augenmerk legte der Minister auf die Überarbeitung der Lehrpläne. Statt ständig neue Inhalte dazuzunehmen, müsse Ballast abgeworfen werden. Ziel sei es, praxisnahe Themen wie Finanz- oder Medienbildung zu integrieren, ohne die Stundentafeln zu überlasten. Als Beispiel nannte Wiederkehr den Umgang mit Mietverträgen: Schülerinnen und Schüler sollten lernen, solche Dokumente zu verstehen, während weniger relevante Inhalte gestrichen werden könnten. „Wenn etwas Neues kommt, muss auch etwas anderes weichen“, so der Minister.
Ganztagsschule statt Hausübungen
Als zentrales Zukunftsmodell stellte der Minister ganztägige Schulformen in den Vordergrund. Diese böten nicht nur bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern machten auch klassische Hausübungen weitgehend überflüssig. Übungen sollten in den Schultag integriert werden, wodurch Lernzeiten klarer strukturiert und individueller gestaltet werden könnten.
Bürokratieabbau und Entlastung
Ein großes Anliegen Wiederkehrs ist die Entlastung der Lehrkräfte von administrativen Aufgaben. So wurden bereits 80 Prozent der Rundschreiben des Ministeriums gestrichen. Auch digitale Lösungen – etwa Krankmeldungen per App – sollen den Schulalltag vereinfachen. Zusätzlich sind neue Managementebenen an großen Standorten geplant, um die Direktionen organisatorisch zu unterstützen.
„Wir müssen besser werden“ – die Aufholjagd
Der Minister machte deutlich, dass Österreich im internationalen Vergleich aufholen müsse. Zu viele Jugendliche verlassen die Schule ohne sichere Grundfertigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen. Diese Entwicklung gefährde nicht nur Bildungschancen, sondern auch die demokratische Kultur. Ziel sei es daher, die Zahl der betroffenen Schülerinnen und Schüler spürbar zu reduzieren.
Föderalismus und Modellregionen
Auch die Struktur des Bildungswesens will Wiederkehr reformieren. Der bestehende Bildungsföderalismus mit geteilten Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden sei ineffizient und belaste die Schulen zusätzlich. In Modellregionen sollen neue Formen erprobt werden, etwa eine längere gemeinsame Schulzeit oder eine klarere Aufgabenteilung.
Bildungsmedien als Partner
Besonders hervorgehoben wurde die Rolle der Bildungsmedien. Österreich verfüge über ein breites und qualitativ hochwertiges Angebot, das für die Umsetzung neuer Lehrpläne unverzichtbar sei. Künftig soll neben der klassischen Schulbuchaktion auch ein digitaler Marktplatz entstehen, über den Schulen zertifizierte Lern-Apps nutzen können. Wiederkehr betonte, dass Innovation und Vielfalt nur gemeinsam mit den Verlagen gelingen können. Die Diskussion fand im Rahmen des ABÖ-Cafés statt – einer Veranstaltungsreihe der Allianz Bildungsmedien Österreichs, zu der auch schule.at gehört.
Blick nach vorne
Die Veranstaltung machte deutlich, wie groß die Herausforderungen im Bildungssystem sind und wie entschlossen der Minister an Reformen arbeiten will. Mit der Forderung nach mehr Autonomie, entrümpelten Lehrplänen, weniger Bürokratie und einer klaren Stärkung der Bildungsmedien setzte Wiederkehr zentrale Akzente. Der Abend bot damit nicht nur Einblicke in aktuelle Vorhaben, sondern auch Impulse für die weitere bildungspolitische Diskussion.