Teil 2: Rituale konkret: Ruheritual

Die wichtigsten Rituale und Routinen sind ein Ruheritual, ein Ritual für das Betreten des Klassenzimmers und ein Ritual für den Wechsel vom Sitzkreis an den Platz und ähnliche Übergangssituationen. Konzentrieren Sie sich zunächst auf diese. Allein damit reduzieren Sie erheblich störendes Verhalten ihrer SuS und sorgen für ein geordneteres Klassenzimmer.
Desweiteren sind folgende Rituale und Routinen sinnvoll:

  • ritualisiertes Feedback als wichtige Information für die L
  • ein Ritual für die Endphase von Klein-Gruppen-Arbeit, weil es dabei häufig zu Störungen kommt.

Legende: SuS= Schülerinnen und Schüler, S= Schülerin oder Schüler, L= Lehrperson, KG= Kleingruppe

Kinder in einer Klasse zeigen auf

Rituale konkret: Ruheritual

Im Klassenzimmer der 6. Klasse von Frau Peters ist es mucksmäuschenstill. Jede SuS hört aufmerksam zu, wenn sie etwas Wichtiges erklärt.  Die Vorteile liegen auf der Hand.  Frau Peters kann in Ruhe erklären, was ihr wichtig ist. Die Chancen, dass ihre SuS ihre Erklärungen gut verstehen sind intakt. Damit legt sie die Basis dafür, dass ihre SuS die gestellten Aufgaben erfolgreich bewältigen und sich gut fühlen. Klar arbeiten sie konzentrierter und erfolgreicher. Wie Frau Peters das geschafft hat, erfahren Sie gleich.

Ruhig sein, wenn die Lehrperson etwas sehr Wichtiges erklärt

  • Ruhig sein, wenn die Lehrperson etwas sehr Wichtiges erklärt4 bedeutet: Ich lege alles aus der Hand. Warum? Wenn die SuS Gegenstände in der Hand behalten, kann sie das zum Spielen animieren. Oder ein S klopft beispielweise mit seinem Bleistift auf den Tisch.
  • 3 bedeutet: Ich verschränke meine Arme vor meiner Brust. Damit können die Arme nicht den Nachbarn stören.
  • 2 bedeutet: Ich schließe meinen Mund. Klar sollen die S jetzt auch nicht mehr sprechen.
  • 1 bedeutet: Ich schaue meiner Lehrperson in die Augen. Blickkontakt bietet die höchste Wahrscheinlichkeit, dass die SuS auch wirklich zuhören. Wenn sie beispielsweise aus dem Fenster schauen, schweifen ihre Gedanken ab. 

Wichtige Vorteile sind:

  • Die SuS sind beschäftigt.
  • Durch das Mitzählen instruieren sich die SuS selbst, also sagen sich selbst, was sie tun sollen.
  • Die L kann jeden einzelnen der vier Schritte beobachten. Damit hat sie die Chance, sofort korrigierend einzugreifen, wenn ein S den entsprechenden Schritt nicht einhält. Klar könnte auch ein Punkt unserer Reihe lauten, "ich passe gut auf". Ungünstig daran ist aber, dass die L damit eine Forderung aufstellt, die sie nicht überprüfen kann.

Variante 2: Vor allem bei älteren Schülern und jungen Erwachsenen. Vorgehen:

Einen Rhythmus vorklatschen: Die L beginnt damit, einen einfachen Rhythmus zu klatschen. Alle SuS stimmen mit ein. Gleichzeitig sollen sie Blickkontakt zur L aufnehmen. Wenn es dann absolut ruhig ist, beginnt die L mit ihrer Erklärung.
Wichtige Vorteile sind:

  • Das Klatschen ist nicht zu überhören.
  • Für ältere SuS ist rhythmisches Klatschen attraktiv.
  • Die SuS müssen alle Gegenstände aus der Hand legen, um mitklatschen zu können.
  • Das Ritual ist unkompliziert.

Das Klatsch-Ritual eignet sich gut dafür, drei bis fünf Schüler einzubeziehen. So gehen Sie vor:

  • bestimmen Sie, je nach Klassengröße, drei bis fünf „Ritual-Chefs“. Geben Sie diesem Amt eine Bezeichnung, die bei Ihren SuS gut ankommt, wie z.B. Takt- oder Rhythmus-Chef.
  • wenn es in der Kasse richtig ruhig werden muss, „aktivieren“ Sie die Ritual-Chefs, z.b. mit einem roten Lichtsignal. Das ist für die Ritual-Chefs das Zeichen, mit dem Klatschen zu beginnen. Wählen Sie für dieses Amt SuS, die im ganzen Klassenzimmer verteilt sitzen.
  • Instruieren Sie die Ritual-Chefs im Voraus bzgl. ihrer Aufgabe und wie Sie sie aktivieren.
  • Natürlich sollen sich, auch bei dieser Variante eines Ruhe-Rituals, alle SuS am Klatschen beteiligen und sofort mitklatschen.
  • Wechseln Sie die Ritual-Chefs alle zwei bis drei Wochen.
  • Wählen Sie in der Anfangsphase SuS mit besonders herausforderndem Verhalten für diese Aufgabe aus. Benutzen Sie die dadurch entstehenden Möglichkeiten positiver Kommunikation, um Ihre Beziehung zu diesen SuS gezielt zu verbessern, z.B. in dem Sie sich bei ihnen für deren wertvolle Mitarbeit bedanken und ihnen erklären, wie gut Sie sich durch deren Mitarbeit unterstützt fühlen. „Danke für deine Hilfe, Dario“, sagt Frau Peters. Dann macht sie mit ihm ab, dass sie seine Eltern anruft, um ihnen mitzuteilen, wie gut sie sich von Dario unterstützt fühlt. Diese reagieren richtig glücklich. „Endlich mal eine positive Nachricht aus der Schule“, sagt Darios Mutter. Und dabei denkt sie, „das ist jetzt mal eine gute L“.
  • Überlegen Sie, ob Sie diese Form eines Ruhe-Rituals nur in ganz besonders anspruchsvollen Klassensituationen benutzen wollen, wie z.B. wenn Sie während einer Klein-Gruppen-Arbeit, bei der SuS in ihre Arbeit vertieft sind, eine wichtige Anweisung geben müssen.

Liste „Ruheritual“:

Vorbereitung:

  • Planen Sie ein einfaches Ruheritual, bei dem Ihre SuS mitmachen.
  • Legen Sie fest, wie das Ritual genau aussieht – Sie können auch Ihre SuS daran beteiligen.
  • Bei älteren SuS bietet es sich ein Klatsch-Ritual an.
  • Machen Sie sich vor dem Üben im Klassenzimmer klar, dass Sie immer damit rechnen müssen, dass ein S stört – aus welchem Grund auch immer.
  • Versuchen Sie trotzdem ruhig und gelassen zu bleiben.
  • Wenn das nicht immer gelingt, ist das kein Weltuntergang.

Durchführung:

  • Warten Sie bei einem Ruheritual, bis es wirklich richtig ruhig ist.
  • Überblicken Sie die Klasse.
  • Unterlassen Sie jegliche Form von Diskussionen oder Ermahnungen, wenn die SuS nicht ruhig sein sollten.
  • Bleiben Sie entspannt und ruhig.
  • Starten Sie erst dann mit Ihrer Erklärung, wenn es wirklich richtig ruhig ist.
  • Geben Sie vor allem in der Anfangsphase, während der Sie das Ritual einführen, viel positives Feedback an die ganze Klasse. Verzichten Sie unbedingt auf Kritik. Mehr dazu finden Sie in einem weiteren Artikel.

Beim Wechsel vom Sitzkreis an den Platz kommt es schnell zu Störungen. Im nächsten Kapitel erfahren Sie, wie Sie diese und ähnliche Übergangssituationen störungsarm gestalten.


Christoph Eichhorn ist Schulpsychologe in der Schweiz und Autor zum Thema Classroom-Management. Er arbeitet als Lehrbeauftragter an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz und gibt Workshops, Online-Workshops und hält Vorträge zu Classroom-Management.

 

  • Eichhorn, C. (2015): Classroom-Management: Wie Lehrer, Eltern und Schüler guten Unterricht gestalten. Klett-Cotta. 8. Aufl.
  • Eichhorn, C., von Suchodoletz, A., (2014): Die Klassenregeln. Guter Unterricht mit Classroom-Management. Klett-Cotta, Stuttgart
  • Evertson, C., Weinstein, C. (2006): Handbook of Classroom Management. Research, Practice and Contemporary Issues.
  • Helmke, A. (2012): Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts. Kallmeyer, Seelze.
  • Hillenbrand, C., Hennemann, T. (2012): Unterrichtsstörungen vermeiden – durch gutes Classroom-Management. In SchVw NRW, Heft 4  (o. S.)