Teil 5: Rituale konkret: Schülerfeedback ritualisieren

Ja, es gibt Lehrpläne. Ja, sie enthalten wichtige Hinweise für den Unterricht. Nur: Vieles, was dort steht, passt jetzt gerade gar nicht zu Ihrer aktuellen Unterrichtssituation. Vor allem wenn,

  • Ihre SuS einen Auftrag nicht verstanden haben
  • sich gerade langweilen
  • oder sich in der Klasse nicht dazugehörig fühlen.

Legende: SuS= Schülerinnen und Schüler, S= Schülerin oder Schüler, L= Lehrperson, KG= Kleingruppe

 

Kinder während des Unterrichts mit Lehrerin, einige zeigen auf

Feedbackgeleitet unterrichten

Klar machen Sie das schon, indem Sie beispielsweise auf die Stimmung in Ihrer Klasse und auf das emotionale Befinden Ihrer SuS achten. Und das ist auch sehr wichtig und ganz hervorragend. Denn dann können Sie entsprechend reagieren. Allerdings ist das Geschehen im Klassenzimmer derart komplex, dass keine L dauernd den Überblick haben kann.

Vor allem in Situationen wie den folgenden:

  • Situation A: eine L hat einen Arbeitsauftrag gegeben aber einige SuS haben nicht wirklich verstanden, was sie tun sollen. Aus Angst, sich vor ihren Mitschülern zu blamieren, sagen sie aber nichts sondern tun so, als wüssten sie, was zu tun ist. Nach 10 Minuten bemerkt die L zufällig, dass alles, was einige ihrer SuS bisher erarbeitet haben, falsch ist. Die SuS müssen nochmal von vorn anfangen. Dazu haben sie jetzt aber gar keine Lust.
  • Situation B: die SuS haben bereits einige Zeit in Einzelarbeit gearbeitet. Jetzt sollen sie in KG-Arbeit ihre Arbeit vertiefen. Einige hat die Einzelarbeit aber bereits so sehr angestrengt, dass sie jetzt kaum mehr Energie für die KG-Arbeit haben. Aber natürlich meldet sich keiner und sagt, „dürfte ich eine Pause einlegen, um Energie zu tanken“? Statt in der Kleingruppenarbeit richtig mitzumachen, stören sie und lenken ihre Mitschüler ab.
  • Situation C: Eine L ist begeistert von der Unterrichtseinheit, die sie heute für ihre Schüler geplant hat. Sie hat auch einiges an Zeit dafür investiert. Aber bei Ihren SuS kommt die Unterrichtseinheit nicht gut an. Sie finden die gestellten Aufgaben langweilig. Ein S wirft eine Papierkugel durchs Klassenzimmer. Es kommt zu Unruhe. Die L ist irritiert. Klar meldet sich keiner und sagt, „mir ist langweilig“.

Aber wie könnte die L in unseren Beispielen herausfinden, wie es um ihre SuS steht?

Die Dreiecks-Pyramide

In Frau Hagens Zimmer steht auf jedem Schülerpult eine Dreiecks-Pyramide, also eine Pyramide mit einem gleichschenkligen Dreieck als Grundfläche. Die sichtbaren Pyramiden-Flächen haben die Farbe rot, gelb, grün. Sie setzt sie wie folgt ein.

  • In Situation A: Wenn ein S einen Auftrag gut verstanden hat, und keine Hilfe braucht, dreht er die grüne Seite seiner Pyramide zur L hin. Das bedeutet, „ich komme gut klar“. Gelb bedeutet, „ich versuche es weiter“ oder „ich glaube, ich schaffe es doch noch“. Wendet ein S die rote Seite der Pyramide zur Lehrperson dreht, bedeutet das, „ich komme nicht mehr weiter, bitte helfen Sie mir“.
  • In Situation B: Frau Hagens SuS haben eine längere Einzelarbeit hinter sich. Jetzt sollen sie zur KG-Arbeit wechseln. Frau Hagen frägt ihre Klasse: „Habt ihr noch Energie zum Weiterarbeiten?“ Die SuS drehen die entsprechende Seite ihrer Pyramide zu ihrer L. So erkennt sie auf einen Blick das Energieniveau ihrer SuS. Da einige SuS die rote Seite zu ihr gedreht haben, entscheidet sie sich dafür, zunächst eine kleine Bewegungsübung durchzuführen, um ihren SuS wieder Energie zu geben. Und erst danach die KG-Arbeit, zeitlich verkürzter, fortzuführen.
  • In Situation C: Frau Hagen hat eine KG-Arbeit durchgeführt, jetzt möchte sie wissen, wie diese bei ihren SuS ankam. Entsprechend einem von ihr vorgelegter Folie drehen ihre SuS ihre Pyramide wie folgt:
    • Der KG-Auftrag war für mich: klar = grün; nicht ganz klar = gelb; ich wusste nicht, was ich tun sollte = rot
    • Ich fand die Aufgabe: zu schwierig = rot; zu leicht = gelb; genau richtig = grün
    • Ich fand die KG-Arbeit: langweilig = rot; unentschieden = gelb; spannend = grün
    • Ich hab mich in meiner KG: wohl gefühlt = grün; unentschieden gefühlt = gelb; nicht gut gefühlt = rot
    • Ich konnte in meiner KG-Arbeit: gut arbeiten = grün; unentschieden = gelb; nicht gut arbeiten = rot.

Die Vorteile ritualisierten Feedbacks

  • die SuS reflektieren regelmäßig ihr eigenes Befinden, eine der tragenden Säulen des Konzepts der emotionalen Intelligenz (Salovey, P., Caruso, D., Mayer, J., 2004)
  • die L erhält schnell und einfach ein gutes Bild über die wichtigsten Aspekte ihres Unterrichts und kann ihren Unterricht entsprechend anpassen.

Arbeitsblatt: Schülerfeedback aufzeichnen

NAME SuS, die "rot" angegeben haben          
Namen der SuS Ich habe mich bei der KG-Arbeit nicht wohl gefühlt Ich habe den Auftrag nicht verstanden Die Aufgabe war für mich zu schwierig Ich fand die Aufgabe alngweilig xxx yyy
aaa            
bbb            
ccc            

Fallbeispiele: Ritualisiertes Schülerfeedback nutzen

Ein S hat schon mehrfach angeben, „ich habe den Auftrag nicht verstanden“ und ein anderer „ich konnte in meiner Kleingruppe nicht gut arbeiten“. Die Vorteile und Konsequenzen derartiger Informationen liegen auf der Hand. Im ersten Fall ist der S eventuell wirklich häufiger überfordert, dann ist darüber nachzudenken, welche Unterstützung er benötigt. Im zweiten Fall handelt es eventuell um einen in der Klasse sozial isolierten S. Dann stellt sich die Frage, wie er in der Klasse besser integriert werden kann.

Liste: Schülerfeedback ritualisieren

  • Für Ihr aktuelles Handeln in Ihrem Klassenzimmer ist weniger der Lehrplan maßgeblich als vielmehr die aktuelle Situation, die Sie dort vorfinden.
  • Lassen Sie Ihre SuS eine Dreiecks-Pyramide anfertigen.
  • Jede SuS schreibt ihren Namen auf den Pyramidenboden.
  • Erklären Sie, wie Sie mit der Pyramide arbeiten werden.
  • Setzen Sie diese immer wieder ein.

Das nächste Kapitel befasst sich mit Kleingruppen-Arbeit. Selbst wenn diese sehr gut startet, kommt es häufig gegen Ende dieser Arbeitsform zu Störungen aller Art. Was Sie dann tun können, zeigt Ihnen das nächste Kapitel.


Christoph Eichhorn ist Schulpsychologe in der Schweiz und Autor zum Thema Classroom-Management. Er arbeitet als Lehrbeauftragter an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz und gibt Workshops, Online-Workshops und hält Vorträge zu Classroom-Management.

 

  • Brüning, T., Saum, T. (2009): Erfolgreich unterrichten durch kooperatives Lernen. Strategien zur Schüleraktivierung. Band 1. 5. Aufl.
  • Eichhorn, C. (2015): Classroom-Management: Wie Lehrer, Eltern und Schüler guten Unterricht gestalten. Klett-Cotta. 8. Aufl.
  • Eichhorn, C., von Suchodoletz, A., (2014): Die Klassenregeln. Guter Unterricht mit Classroom-Management. Klett-Cotta, Stuttgart
  • Salovey, P., Caruso, D., Mayer, J. (2004): Emotional Intelligence in Practice. In: Linley, A., Joseph, S.: Positive Psychology in Practice. Hoboken, New Jersey, S. 447-463.