Teil 6: Rituale konkret: Schlussphase von Kleingruppenarbeit

Das kennt fast jede L. Die SuS arbeiten bereits einige Zeit in KG. Aber jetzt, nach einer gewissen Zeit, steigert sich ganz allmählich die Unruhe immer mehr. Viele SuS sind gar nicht mehr richtig konzentriert bei der Sache. Was jetzt? Die L muss immer mehr ermahnen und zurechtweisen, damit die SuS noch einigermaßen mitmachen. Wie Sie das vermeiden, beschreibt dieses Kapitel. 

Legende: SuS= Schülerinnen und Schüler, S= Schülerin oder Schüler, L= Lehrperson, KG= Kleingruppe

Schülerin und Schüler schauen in das Tablet in einer Klassensituation

Anspruchsvolle Aspekte von KG-Arbeit

  • die Schlussphase von Kleingruppenarbeit
  • während der Schlussphase einer KG-Arbeit eine Anweisung geben
  • die Kleingruppenarbeitsphase so beenden, dass alle gleichzeitig aufhören.

Time-Timer

Wenn Sie regelmäßig mit einem Time-Timer arbeiten, wird es für Sie bedeutend einfacher, eine KG-Arbeit zu beenden. Der Time-Timer gibt Ihren SuS nicht nur einen unbestechlichen Überblick über ihre verbleibende Arbeitszeit, sondern es handelt sich dabei auch um eine Art psychologischen Trick. Denn es wirkt jetzt auf Ihre SuS so, als würden nicht Sie die KG-Arbeit beenden, sondern der Time-Timer. Damit ziehen Sie sich ein bisschen aus der Schusslinie, wenn SuS ärgerlich werden, weil sie die KG-Arbeit beenden sollen, obwohl sie noch nicht fertig sind. Die Erfahrung zeigt, dass sich SuS gewöhnen schnell an diese Form der Klarheit und Verbindlichkeit gewöhnen.

Kleingruppenarbeit lieber kürzer halten

Für amerikanische Classroom-Management-Literatur ist klar: Lieber kurze KG-Arbeit als langandauernde. Was ist kurz? Kurz ist in den Klassen 1-6 etwa 3 bis 5 Minuten. Und ab 6. Klasse 5 bis 10 Minuten. Letztlich hängt die Dauer einer KG-Arbeit natürlich von der Klasse ab. Die zentralen Aspekte sind:

  • wie hoch ist das Selbstregulationspotential der SuS
  • wie hoch ist deren Konzentrationsspanne und deren Durchhaltevermögen
  • was ging der KG-Arbeit voraus? So reduziert beispielsweise eine Einzelarbeitsphase, die die SuS bereits viel Energie gekostet hat, deren Selbstregulationspotential und ihre Konzentrationsspanne während der nachfolgenden KG-Arbeit. Auch wenn die SuS eine schlecht ausgefallene schriftliche Prüfung zurück erhalten haben, ein S mit einem Mitschüler einen schweren Konflikt hat oder sich ein S in der Klasse sozial ausgeschlossen fühlt, hat das einen ähnlich energieraubenden Effekt.

Richten Sie die Dauer von KG-Arbeit nach Ihren Erfahrungen mit dieser Klasse. Und auf alle Fälle ist wichtig, dass Sie die Schlussphase einer KG-Arbeit eng begleiten und die Klasse regelmäßig überblicken.

Während einer KG-Arbeit etwas mitteilen

Es ist für jede L sehr anspruchsvoll, während einer KG-Phase eine Mitteilung zu machen, die auch von allen SuS wirklich gehört wird. Klar ist es nicht gerade günstig, die SuS beim Arbeiten zu unterbrechen. Trotzdem kann es manchmal nötig sein, gerade dann eine Anweisung zu geben. So gehen Sie vor:

  • Stellen Sie zunächst die Aufmerksamkeit aller SuS her, z.B. mit einem Ruheritual.
  • Geben Sie Ihre Anweisung erst dann, wenn Sie die volle Aufmerksamkeit aller Ihrer SuS hergestellt haben. Mehr dazu finden Sie im Kapitel „Rituale konkret: Ruheritual“.
  • In schwierigen Klassen ist es sinnvoll, diese Situation mehrfach zu üben. Am besten sofort. So gehen Sie vor:
    • Sie bitten Ihre SuS sofort darum die KG—Arbeit wieder aufzunehmen. Oder stattdessen in der KG über ein Thema zu sprechen, dass Ihre SuS interessiert.
    • Kurz nachdem Ihre SuS angefangen haben, sich zu unterhalten, geben Sie das Ruhe-Ritual.
    • Warten Sie wieder ab, bis es absolut ruhig ist.
    • Wiederholen Sie diesen Vorgang noch einmal.
    • Sie können auch einen Zeitraum definieren, innerhalb dessen, es ruhig sein muss. Erfassen Sie zunächst die Zeit, die Ihre SuS beim letzten Üben gebraucht haben. Teilen Sie diese Ihren SuS aber nicht mit. Wählen Sie dann eine Zeitspanne aus, die ein bisschen länger ist, damit Ihre SuS mit einem Erfolgserlebnis starten. Sagen Sie dann, so motivierend wie möglich, „das war schon prima – aber das könnt ihr noch besser. Ich bin mal gespannt, ob ihr es das nächste Mal in XY-Sekunden schafft“. Stellen Sie den Time-Timer ein, sobald sie das Zeichen zum Ruhe-Ritual gegeben haben.

Mit dem Üben vermitteln Sie Ihren SuS nonverbal, „mir ist wichtig, dass ihr das Ruheritual richtig gut einhaltet“.
Im Kapitel „Rituale üben“, weiter unten, finden Sie weitere wichtige Hinweise.

KG-Arbeitsphase beenden

Benutzen Sie zum Beenden einer KG-Arbeit akustische Signale, wie z.B.

  • 3-mal laut klingeln: Noch 2 Minuten.
  • 2-mal laut klingeln: Noch 1 Minute.
  • 1-mal laut klingeln: Alles aus der Hand legen und, je nach Situation, zum Wechsel an den Platz bereit machen. Aber erst losgehen, wenn die L das Zeichen dazu gibt.

Oder, als Variante, zählen alle SuS die letzten 10 Sekunden bis auf Null herunter. Bei Null legen sie alles aus der Hand und hören zu, was die L sagt.
Eine andere Möglichkeit sind Lichtsignale. Wenn Sie mit dem gelben Licht durch die Klasse gehen, signalisiert das ihren SuS „bitte ans Aufhören denken“. Wenn Sie darauf das rote Licht zeigen, legen die SuS alles aus der Hand und die KG-Arbeit ist zu Ende.

Liste: Schlussphase von KG-Arbeit

  • Berücksichtigen Sie bei KG-Arbeit die Selbstregulationskompetenzen Ihrer SuS und deren Konzentrationsspanne
  • Richten Sie die Dauer von KG-Arbeit nach den Erfahrungen mit Ihrer Klasse – und nicht nach irgendwelchen von außen kommenden Vorgaben
  • Zeigen Sie von Beginn der Kleingruppenarbeit an sehr hohe Präsenz, d.h. seien Sie in Ihrem Klassenzimmer überall „unterwegs“ – vor allem, um Ihre SuS, falls nötig, frühzeitig und unkompliziert unterstützen zu können; aber auch um zu sehen, ob Ihre SuS auch wirklich an der gestellten Aufgabe arbeiten.
  • Überblicken Sie regelmäßig Ihre Klasse. Langweilen sich schon einige, rutschen einige  unruhig auf ihrem Stuhl herum oder sind einige gar nicht mehr bei der Arbeit? Sehen Sie das als eine sehr bedeutende Information für sich an. Sie bedeutet, dass die Energie Ihrer SuS am Versiegen ist und sie nicht mehr konzentriert arbeiten können.
  • Beenden Sie dann die KG-Arbeit. Beachten Sie bitte, dass Ihre SuS unter diesen Umständen kaum mehr etwas lernen.
  • Führen Sie anschließend eine Unterrichtseinheit durch, die Ihre SuS wieder aktiviert und Ihnen verlorene Energie zurückgibt. In der Regel muss das eine Übung sein, die mit ausreichend und intensiver Bewegung einhergeht, wie z.B. musikunterlegte Bewegung oder Body-Performance bei älteren SuS. Legen Sie sich einen Vorrat an solchen Unterrichtseinheiten an.

Besonders schwierige Klassen stellen an alle L dieser Klassen erhebliche Anforderungen. Wie Sie schwierigen Klassen professionell und wirksam begegnen, zeigt Ihnen das nächste Kapitel.


Christoph Eichhorn ist Schulpsychologe in der Schweiz und Autor zum Thema Classroom-Management. Er arbeitet als Lehrbeauftragter an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz und gibt Workshops, Online-Workshops und hält Vorträge zu Classroom-Management.

 

  • Eichhorn, C. (2015): Classroom-Management: Wie Lehrer, Eltern und Schüler guten Unterricht gestalten. Klett-Cotta. 8. Aufl.
  • Eichhorn, C., von Suchodoletz, A., (2014): Die Klassenregeln. Guter Unterricht mit Classroom-Management. Klett-Cotta, Stuttgart
  • Marzano, R., Marzano, J., Pickering, D. (2003): Classroom Management that works.
  • Research-based Strategies for every Teacher.Alexandria, USA