Immer mehr Lehrkräfte ohne klassische Lehrerausbildung

In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Anteil der Quereinsteigenden und Lehramtsstudierenden, die in den Klassen unterrichten, mehr als verdoppelt. Bildungsminister Christoph Wiederkehr will die Zahl bei 500 pro Jahr deckeln und gleichzeitig die Qualität und Treffsicherheit des Quereinstiegs erhöhen. 

Schulklasse mit Lehrkraft

Linderung des Lehrkräftemangels

Rund 120.000 Lehrende gibt es in Österreich - und immer mehr von ihnen haben keine klassische Lehrerausbildung abgeschlossen. Rund 5.000 Quereinsteigende haben sich als Lehrkräfte zertifizieren lassen. Hinzu kommt die steigende Zahl der Lehramtsstudierenden, die bereits unterrichten: Während 2014/15 in Volksschulen noch 1,2 Prozent und in der Sekundarstufe (v.a. Mittelschule, AHS, BMHS) 3,1 Prozent Lehramtsstudierende oder Quereinsteigende unterrichtet haben, waren es 2022/23 5,3 bzw. 6 Prozent, zeigt die aktuelle OECD-Studie “Bildung auf einen Blick”.

Quereinsteiger: Gesucht, verloren, gedeckelt

Zur Linderung des aktuellen Lehrkräftemangels hat das Bildungsministerium unter anderem mit Kampagnen wie “Klasse Job" Quereinsteigende umworben. Dabei gebe es aber beharrliche Probleme, kritisierte Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker: Weniger als ein Drittel der Zertifizierten unterrichtete tatsächlich. Daher soll die Auswahl beim Quereinstieg nun gezielter erfolgen, kündigt Bildungsminister Christoph Wiederkehr im Rechnungshofausschuss des Parlaments an: Künftig soll es nur noch 500 Plätze pro Jahr für Bewerberinnen und Bewerber, "die den größten Mehrwert für die Schulen darstellen", geben und dabei auf Fächer mit Lehrkräftemangel (vor allem Deutsch, Englisch und Mathematik sowie Sport und Informatik) sowie auf regionalen Bedarf geachtet werden. Statt wie bisher Bewerbungen das ganze Jahr über anzunehmen, wird es ein einheitliches Bewerbungsfenster im November für die Zertifizierungen geben. Liegt die Zertifizierung bereits vor, ist eine Bewerbung an einer Schule das ganze Jahr über möglich, betonte Wiederkehr. Der Bildungsminister sieht darin keine Einschränkung, sondern eine Professionalisierung des Quereinstiegs.

Vorteile im Quereinstieg

Eine Qualitätssicherung sei beim Quereinstieg von zentraler Bedeutung, betont auch OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher, dann können die Quereinsteigenden mit ihren frischen Perspektiven zu einem besseren Unterricht beitragen. In England etwa würden sich die Schulen mittlerweile bei der Auswahl der Lehrkräfte am liebsten für Quereinsteigende entscheiden. Wichtig sei es allerdings, geeignete Personen auszuwählen und sie durch Fort- und Weiterbildung und Unterstützung gut beim Einstieg in den Unterrichtsalltag begleiten. "Die Vorteile von Quereinsteigern überwiegen." 

Pilotprojekt an Volksschulen

Im Volksschulbereich sei der Quereinstieg zwar schwieriger, weil es mehr pädagogisches- und weniger Expertenwissen brauche, so Schleicher. "Trotzdem gibt es viele Menschen, die hier als Quereinsteiger sehr erfolgreich sind." In Österreich ist der Quereinstieg derzeit nur in der Sekundarstufe möglich. Wiederkehr plant allerdings eine Ausweitung auf die Volksschulen, seit diesem Schuljahr läuft dazu ein Pilotprojekt in Wien.

Lehrerschaft wird jünger

Handlungsbedarf gibt es bei den Junglehrenden: Bei jenen Pädagoginnen und Pädagogen, die im Schuljahr 2022/23 gekündigt haben, waren mehr als die Hälfte (Volksschule) bzw. fast zwei Drittel (Sekundarstufe) erst weniger als fünf Jahre im Beruf. Die neuen Studienpläne beinhalten mehr Praxis, um die Neuzugänge schon in ihrer Hochschulzeit auf den künftigen Beruf vorzubereiten, so Wiederkehr. Trotz der zahlreichen Kündigungen bei Junglehrenden wird die Lehrerschaft in Österreich insgesamt jünger: Zwischen 2013 und 2023 ist sowohl in den Volksschulen als auch in der Sekundarstufe der Anteil der Lehrerinnen und Lehrer unter 30 angewachsen (von 12 auf 19 bzw. von 7 auf 13 Prozent). Gleichzeitig gibt es mittlerweile weniger Lehrpersonal über 49 Jahre (Volksschule: Rückgang von 37 auf 33 Prozent, Sekundarstufe: von 46 auf 40 Prozent).