Quereinstieg: Vom Star zur Lehrerin
Notlösung gegen Lehrkraftmangel
Schon seit einigen Jahren gibt es in bestimmten Fächern und Regionen weniger ausgebildete Lehrkräfte als nötig. Faktoren wie die Pensionierungswelle, der Trend zu Teilzeitbeschäftigung, aber mitunter auch Überlastung verschärfen die Engpässe weiter. Als Notlösung wurden vermehrt Quereinsteiger*innen an die Schulen gelockt, unter anderem mit der Aktion “Klasse Job”: Die Absolvent*innen fachlich passender Studien bekommen einen regulären Lehrvertrag und müssen berufsbegleitend ein Quereinstieg-Studium abschließen. Voraussetzung für eine Zulassung ist eine erfolgreiche Zertifizierung, die bisher 5.000 Personen erhalten haben - bei insgesamt 10.000 Bewerbungen. Ab dem Schuljahr 2025/26 werden pro Jahr nur noch 500 Personen zertifziert, der Fokus liegt auf Mangelfächer und Regionen mit dem größten Bedarf.
Verhalten von Staren
Eine, die diesen Weg erfolgreich absolviert hat, ist Christiane Rössler: Sie hat als Verhaltensbiologin und Ornithologin jahrelang die Aufmerksamkeit von Staren in Frankreich, Teneriffa und Südafrika erforscht, nun fesselt sie die Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler. Seit dem Schuljahr 2023/24 unterrichtet sie Biologie, Deutsch und Physik an der Mozartschule, der NMS 5 in Wels. Einer ihrer Professoren beim Hochschullehrgang Quereinstieg war Michael Himmelsbach von der School of Education der Johannes Kepler Universität Linz. Gemeinsam schildern sie die Höhen und Tiefen des Wechsels in den Schulbereich.
Neugierde und Stabilität
Für Rössler waren die Neugier auf die neue Rolle als Lehrerin und die - im Vergleich zur Forschung - stabilen Rahmenbedingungen ausschlaggebend für den Wechsel in die Schule. Laut Himmelsbach sind viele Quereinsteiger*innen um die 40 Jahre alt und suchen nach der Familiengründung eine berufliche Umorientierung. Unter den Quereinsteiger*innen gebe es manche, die nach wenigen Wochen feststellen, dass sie nicht zum System Schule passen, und andere, die sich glücklich in ihrer neuen Aufgabe einfinden.
Fachwissen plus pädagogisches Wissen
Die Umstellung war anfangs fordernd, beschreibt Rössler: die neue Rolle vor einer Klasse mit 25 Kindern, die geänderten Rahmenbedingungen, die zeitintensive Vor- und Nachbereitung der Unterrichtseinheiten, der hohe administrative Aufwand. Ihr Fachwissen stand außer Frage, die fachdidaktische Wissensvermittlung und die pädagogischen Tools musste sie sich hingegen erst erarbeiten - eine typische Ausgangssituation für viele Quereinsteiger*innen, bestätigt Himmelsbach und ergänzt als zusätzlichen Faktor noch das schulpraktische Wissen, also die Kenntnis des Bildungsbereichs.
Neiddebatten im Kollegium
Rössler wurde von ihren neuen Kolleg*innen “extrem offen” aufgenommen, sie erhielt auch über die Induktionsphase hinaus tatkräftige Unterstützung von den anderen Lehrkräften und der Direktion. Das ist aber nicht an allen Schulen so, sagt Himmelsbach: Neiddebatten kommen zum Beispiel bei der Frage auf, warum Quereinsteiger*innen bei gleichem Gehalt relativ rasch in den Unterricht einsteigen. Auch die Mentalität unterscheide sich mitunter, daher brauche es gegenseitiges Verständnis und Anerkennung der jeweiligen Expertise.
Vorbild für Jugendliche
Beide sind überzeugt, dass die Quereinsteiger*innen gekommen sind, um zu bleiben. Bis weit in die 2030er Jahre werden sie in der Sekundarstufe eine tragende Rolle als Notlösung gegen Lehrkräftemangel spielen, ist Himmelsbach sicher. Und das sei auch gut für die Schulen: Diese profitieren von der Berufs- und Lebenserfahrung der neuen Lehrkräfte, die frische Perspektiven einbringen. Zugleich können Quereinsteiger*innen ein Vorbild für die Jugendlichen sein, dass Berufswege nicht immer linear verlaufen müssen, sondern dass man auch umentscheiden kann. “So können wir ihnen die Angst nehmen, auch einen alternativen Weg zu wählen”, sagt Rössler.